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Historische Mühle von Sanssouci VEB Osthafenmühle Berlin

VEB Osthafenmühle Berlin

Über die Sammlung

Im Bestand der Mühlenvereinigung Berlin-Brandenburg e. V. befindet sich ein Konvolut aus der ehemaligen Osthafenmühle Berlin (OHM). Es umfasst Geräte aus dem Mühlenlabor zur Untersuchung von Getreide und Mahlerzeugnissen, Archivalien (u.a. Lage- und Baupläne, Betriebssammelberichte, Laborunterlagen, mühlentechnische Unterlagen), Fotomaterial, Farbnegative, ein Betriebsvideo und diverse technische Kleinobjekte. Im Zuge der Betriebsstilllegung wurde es von dem ehemaligen Mitarbeiter der Industriemühle, Jürgen Wolf, geborgen und gelangte seit dem Jahr 2006 sukzessive als Schenkung zur Mühlenvereinigung.

„Die Bergung der Objekte passierte aus dem Gedanken heraus, dass sich in der OHM historisches Wissen zu Technik und Wissenschaft befand, die ohne sein Eingreifen verloren gehen würde. Die Objekte sind somit nicht nur als Kaufobjekte zur müllerischen Weiterverwendung in Wolfs Hände geraten, sondern auch aus seinem Bewusstsein heraus, dass der Berufsstand der Müller „in breiter Front unter[geht]“. (Zitat Jürgen Wolf)

Seit dem 17. Jahrhundert gab es entlang der Spree zahlreiche Mühlen. Das Grundstück der späteren Osthafenmühle reichte von der Spree bis zu den Gleisanlagen der damaligen Ostbahn. Somit war die Mühle über die Bahn mit den östlichen, agrarisch geprägten Regionen und über die Spree mit den großen Häfen verbunden.
1886/87 wurde auf dem Gelände eine Roggenmühle mit Silo und Maschinenhaus errichtet. 1892/93 entstand die Weizenmühle Carl Salomon und Co. 1905/06 ließ Karl Salomon ein Kesselhaus und 1910 ein Maschinenhaus aus Eisenfachwerk bauen. 1936 erfolgte Umbenennung der Firma in "Osthafenmühle AG".

Die erhaltenen Archivalien beziehen sich nicht nur auf die Zeit als VEB. Gerade Produktionsübersichten und Betriebssammelberichte zeigen: Im Zweiten Weltkrieg lief die Produktion ungehindert weiter. Das Getreide für die Versorgung der Armee und der Zivilbevölkerung kam zumeist aus den besetzten Ländern, wodurch die OHM an der Ausbeutung der besetzten osteuropäischen Länder beteiligt war.

Nachdem die OHM im April 1945 einen Bombenschaden erlitt, konnte sie nach Verstaatlichung als VEB Osthafenmühle den Betrieb am 3. August 1948 wieder aufnehmen. 1949 beschäftigte der VEB rund 200 Mitarbeitende. Ab 1953 gehörte, neben dem Getreidespeicher auf Alt-Stralau, das Berliner Brot- und Nährmittelwerk in der Boxhagener Straße dem VEB an.
Ab 1975 gehörte die OHM zum VEB Getreidewirtschaft Berlin.

Der nahegelegene Osthafen galt als der größte Binnenhafen der DDR und diente als einer der größten Getreideumschlagplätze. Zeitweise verarbeitete die OHM täglich 400 t Weizen und 120 t Roggen aus der DDR sowie Importen, u.a. aus der Sowjetunion.
Der nie gänzlich behobene Kriegsschaden war bis zum Abbruch noch zu sehen und ist auf einigen Fotos von Wolf dokumentiert.

Mit dem Mauerbau im Jahr 1961 befand sich der an der Spree gelegene Getreidespeicher im Grenzstreifen. Für die Arbeiter und Lieferwagen blieb er trotzdem von der Mühlenstraße aus erreichbar. Es brauchte jedoch einer vorherigen Genehmigung zum Betreten. Diese einzigartige Lage belegen Fotos und ein Videoabschnitt, auch wenn diese erst nach dem Mauerfall entstanden sind.

Am 1. Juli 1990 wurde das Kombinat aufgelöst und das Werk 1 des VEB Getreidewirtschaft in der Mühlenstraße 8 – 10 wurde die Berliner Osthafenmühlen GmbH.

Gerüchte zur Schließung der Mühle kamen nach der Wende auf. Aus dieser Motivation entstand ein von einem Mitarbeitenden gedrehter Film, der einzelne Stationen der Getreideverarbeitung zeigt.

Am 31.08.1995 wurde der, nach der Wende privatisierte und zur Getreide AG Rensburg gehörende, ehemals größte Mühlenbetrieb der DDR stillgelegt. Zuvor gab es ein kartellrechtliches Verfahren, bei dem es um eine rechtwidrige Marktbereinigung in Berlin ging. Beteiligt waren die Unternehmen VK Mühlen und die Getreide AG.
Die Abrissarbeiten erfolgten bis etwa 2002. Erhalten blieben lediglich Gebäude an der Mühlenstraße.

Die Berliner Osthafenmühlen GmbH, die am 19.08.1993 in das Handelsregister eingetragen wurde, existierte bis zur Verschmelzung mit der Getreide AG Rendsburg und wurde am 17.06.2009 gelöscht.

Als ehemaliger Mitarbeiter der OHM hatte Wolf in der Zeit seiner Anstellung in der Marzahner Mühle die Verbindung zur alten Arbeitsstelle wieder aufgenommen, um Getreide zu erhalten. Dadurch war der Kontakt zu den ehemaligen Kolleg:innen immer noch vorhanden. Das ermöglichte nicht nur den käuflichen Erwerb von Betriebsmaterial für die Marzahner Mühle, sondern auch die Mitnahme von Material, welches Wolf aus persönlichem Interesse heraus nicht zerstört sehen wollte.
Die gute Beziehung zu seiner ehemaligen Arbeitsstelle ermöglichte ihm, den Abriss der OHM fotografisch dokumentieren zu können. Insgesamt war Wolf bis zu einem dutzend Mal im Abbruchgebiet unterwegs: Die Bilder zeigen die zerstörte Mühle nicht nur von außen, auch die ehemals mit Technik gefüllten Räume wurden festgehalten.

In der Sammlung existieren ebenso Bilder, die während des Betriebs an Wochenenden entstanden sind. Sie stammen aus der Zeit, in der Jürgen Wolf in der OHM angestellt war und für seine Gesellenprüfung ein Diagramm anfertigen sollte. Er bekam für Lehrzwecke die Erlaubnis, sich frei in der Mühle bewegen zu können, wodurch er die Gelegenheit hatte, Fotografien für den Privatbesitz anzufertigen.

Die Sammlung Osthafenmühle Berlin dokumentiert einen heute nicht mehr vorhandenen Industriestandort im Berliner Stadtraum von Friedrichshain, in dessen Nachbarschaft heute z.B. die Mercedes-Benz Arena zu finden ist, der jedoch ohne das städtische Umland des heutigen Brandenburgs (und darüber hinaus) nicht existieren können. Mit der Bearbeitung, Digitalisierung und Erschließung wird somit im virtuellen Raum die über 100jährige Geschichte einer für die Versorgung der Bevölkerung Berlins und der Berliner Randgebiete wichtigen Roggen- und Weizenmühle lebendig gehalten. Ein Feld der Berliner Wirtschaftsgeschichte, das bisher keine Bearbeitung fand. Wenngleich es sich um einen Industriestandort in Berlin handelt, so stehen die Teile der Sammlung exemplarisch für die Industriemühlengeschichte der DDR.
Vergleichbare Betriebsunterlagen und Geräte fanden sich mit hoher Sicherheit auch in anderen Industriemühlen, wie z.B. Potsdam, Brandenburg/Havel oder Müllrose.

Durch den leichteren Zugang zu den Laborgeräten und deren Geschichte ist ein Blick in die Komplexität der Herstellung unseres Grundnahrungsmittels „Mehl“ möglich: Fachfremde bekommen einen erklärten Einblick in die Arbeit des Müllers/der Müllerin und erfahren, was gutes Mehl ausmacht.

Wir danken unserem Kooperationspartner East Side Gallery / Stiftung Berliner Mauer, der das Projekt unterstützte.
Rechts über „Mehr“ gelangen Sie über eine Weiterleitung zu vertiefenden Informationen zur Osthafenmühle.

Das Digitalisierungsprojekt wurde gefördert aus Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.

IndustriegeschichteIndustriegeschichte Brandenburgs

Diese Sammlung umfasst folgende Teile

Mühlen der Osthafenmühle Berlin [201] Objekte zeigen Sammlung durchsuchen
Labor der Osthafenmühle Berlin [56] Objekte zeigen Sammlung durchsuchen
Müller der Osthafenmühle Berlin [18] Objekte zeigen

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