Das Foto von Gerhard Zwickert zeigt einen Ausschnitt des Wohnhaus-Ensembles der Werksiedlung Annahütte mit der Kirche (Glaswerkssiedlung und Kolonie Zeche Heye) in Schipkau.
Zu sehen sind zwei traufständige Wohnhäuser. Dazwischen, im Hintergrund, ist die evangelische Siedlungskirche „Henrietten-Kirche“ (erbaut 1905) von Süden aus zu sehen. Die neogotische Bauweise hebt sie sich vor allem auch durch den sehr dunklenroten homogenen Ziegelbrandstein mit einigen wenigen gezielt gesetzten Putzblenden und andersfarbigen (möglicher weise sogar glasierten) Ziegelbändern ab. Es handelt sich um einen großzügigen Bau; sogar mit einem kurzen Querhaus vor dem Chorschluss. Das große achtblättrige Rosenfenster, Filialtürmchen und gotische Krabben am sichtbaren Querhausgiebel lesen sich, wie eine lehrbuchhafte Anwendung des gotischen Formenkanons. Auch im oberen Bereich der achteckigen schlanken Turmhaube scheinen die Krabben (Kriechblumen) als stilistische Spielerei der Hochgotik verwendet und zitiert worden zu sein.
Die beiden fotografisch nur angeschnittenen traufständigen Wohnhäuser im Vordergrund mit ihren in der Siedlung üblichen Ziegelsteinen mit heterogenem Ziegelbrandbild wirken gegen die Zierde des Kirchgebäudes umso zurückhaltender. Auch hier finden sich die an (vielen) Wohnbauten der Siedlung üblichen Stichbogenfenstern, betont durch andersfarbige Ziegelbändern. Funktion und Statik zeigen sich auch wieder in der minimalistischen Fassadengestaltung. Beide Gebäude weisen auch die siedlungstypischen, heute zugesetzten, kleinen Fenster im Drempelgeschoss auf. Sie sitzen direkt auf dem schlichten Gurtgesims aus einer vorkragenden Ziegelreihe, welches damit in der horizontalen Fassadengliederung die Geschosseinteilung widerspiegelt. Das linke (westliche) Wohnhaus weist abweichend noch eine vorkragende Eckbetonung in der üblichen Lisenenform auf und schließt über die Traufe hinausragend mit einem stilisierten Kapitell ab.
Kontext:
Architekt: unbekannter Baumeister, Heye AG, 1884
Die Arbeiterkolonie Annahütte entstand auf Initiative des Glasfabrikanten Theodor Heye, der die seit 1870 bestehende gleichnamige Glasfabrik gekauft hatte. Für die Glasarbeiter, aber auch für Bergleute der Braunkohlen-Zeche sowie die Arbeiter der Heyeschen Brikettfabrik fanden sich in 38 Häusern 103 Wohnungen. Zur Siedlung gehörte ein Arzthaus, eine Post, eine Apotheke, eine Schule sowie ein Konsum-Verein. 1905 „krönte Heye sein Siedlungswerk mit der Stiftung einer reich ausgestatten Kirche“. Beamtenhäuser stehen außerhalb der strengen Blockbebauung in graugelbem Klinker.
Streng typisierte eingeschossige Zwei- und Vierfamilienhäuser stehen in den getrennten Bereichen der Glaswerksiedlung und der Zechenkolonie. „Der Duktus strengster Wirtschaftlichkeit gibt dem Ensemble heute seine besonderen kulturhistorischen Zeugniswert, weshalb die Siedlungen der Annahütte unter Denkmalschutz stehen.“ Durch die Stilllegung des Glaswerkes bereits 1990 kam es zu Abwanderung und Leerstand.