Den Brandenburger Maler Emil Spiess (1938-2009) zeichnet seit den 1980er Jahren ein zunehmend expressiver Realismus aus, der großflächig vielfach ungemischte Farben mit breitem Pinsel und Spachtel in rascher Weise aufträgt. Dagegen ist seine Malerei auf diesem Bild, das wohl im Sommer 1989 entstanden ist, nuanciert und stimmungsvoll, und in seiner Expression etwa an Werke von Maurice de Vlaminck erinnernd.
An einem Spätsommertag bewegen sich in einer Kurve der Havel, im Hintergrund links hinter Bäumen die St. Gotthardtkirche und Häuser in der Altstadt, fünf Kajakboote, ganz rechts in der Bildecke der Trainer vom Motorboot aus mit einer Flüstertüte. Die Malweise, die einerseits den Pinselstrich in der ganzen Landschaft von links oben nach rechts unten führt, die Kajakboote aber auch mit quergestellter Pinselrichtung ausführt, unterstreicht die Aussage. Der Strom ist nicht klar in seinen Ufern begrenzt, er scheint überzuströmen. Lichtreflexe, vor allem der im Hintergrund, neben den der Maler seine Signatur setzte, zeigen seine Könnerschaft. Emil Spiess ist der führende Brandenburger Maler, der der Stadt auch ein Wandbild (1979-1981, jetzt Industriemuseum Brandenburg) hinterlassen hat.
Man wird nicht fehlgehen, in dieser großformatig ausgeführten Bildidee ein Bekenntnis zum Widerspruch und zur Auseinandersetzung in Zeiten schwindender DDR-Gewissheiten, Republikflucht und Demonstrationen zu sehen. Zum Jahresende 1989 wurde dieses Gemälde vom Rat der Stadt Brandenburg aus Mitteln des Kulturetats angekauft.
Das Gemälde ist signiert und datiert Mitte rechts "E. Spiess 89", es wurde mit schwarzer Holzleiste, wohl vom Künstler selbst gerahmt.
Das Gemälde wurde im Dezember 1989 mit Mitteln des Fonds für künstlerische Aufträge beim Rat der Stadt Brandenburg an der Havel erworben.
Literatur:
Enders, Rainer/Holtmann, Wulff (Hg. im Auftrag der Stadt Brandenburg (Havel): stattbekannt. 150 Jahre Brandenburg in Bildern, Brandenburg 2015, Abb. S. 113.