Selbstbewusst und stolz gibt Bartholomeus Eggers (1637-1692) mit dieser Statue den Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1620-1688) wieder. Dieser war der Auftraggeber für die von dem niederländischen Bildhauer und seiner Werkstatt geschaffenen Ahnenreihe der brandenburgischen Kurfürsten und vier Kaiser. „FRIDERICUS WILHELM“ steht in vergoldeten Lettern auf der Vorderseite der Plinthe. Die realistische Darstellung des Kurfürsten mit der modischen Allongeperücke und den typischen, auch auf gemalten Porträts erkennbaren fülligen Gesichtszügen entstand möglicherweise noch unter dem persönlichen Eindruck des Künstlers, der nachweislich 1687/88 in Berlin weilte. Wie auch bei den Skulpturen Joachims I. (Skulpt.slg. 82) und Friedrichs III. (Skulpt.slg. 87) hält der Große Kurfürst den (heute verlorenen) Feldherrenstab mit dem rechten, angewinkelten Arm hoch empor, während die Linke fast lässig in die Hüfte gestützt ist. Seine Rüstung entspricht – im Gegensatz zu den historisch nicht korrekt zusammengefügten Rüstungsteilen seiner Vorgänger – derjenigen der Zeit. Auf dem Brustpanzer trägt er an einer Seidenschärpe ein Medaillon. Auch die Fußbekleidung unterscheidet sich von denen seiner Vorgänger und orientiert sich an derjenigen von antiken Imperatoren: eine Kombination aus Schutzstiefel mit Löwenkopfdekoration und Sandale. Ebenso variiert Eggers hier den Mantelkragen: Er ist vorn offen und wird von einer modischen Brosche zusammen gehalten. Mit diesen beiden Abwandlungen weicht der Bildhauer vom Schema der Reihe ab und leitet den Blick des Betrachters trotz einer gewissen Idealisierung vor allem auf die individualisierte Porträtauffassung und damit direkt auf den regierenden Herrscher dieser Kurfürsten-Serie.
Bartholomeus Eggers schuf die zwölf Kurfürsten- und vier Kaiser-Statuen zwischen 1685 und 1689 im Auftrag des Kurfürsten Friedrich Wilhelm eigens für den Alabastersaal im Berliner Schloss. Nach dem Tod Friedrich Wilhelms beauftragte sein Sohn Kurfürst Friedrich III. den Bildhauer mit dem eigenen Porträt, wodurch die angestrebte Zwölfzahl der Reihe abgeschlossen war. Der Alabastersaal war als neuer Festsaal des Großen Kurfürsten nach Plänen des Hofbaumeisters Michael Mathias Smid zwischen 1681 und 1685 entstanden. Der im oberen Stockwerk des Quergebäudes zwischen den beiden Schlosshöfen gelegene Saal war nach außen völlig schmucklos. Die Gestaltung des Inneren jedoch zielte auf höchste Repräsentation: Auf beiden Längsseiten befanden sich fünf hohe Fenster, die sich mit sechs rundbogigen Nischen abwechselten, in denen auf Konsolen die von Eggers geschaffenen Kurfürsten-Statuen standen. An den Schmalseiten gab es jeweils zwei Nischen für die Kaiser-Statuen. Fenster und Nischen wurden jeweils von korinthischen Pilastern flankiert. Dieser architektonische und bildhauerische Schmuck, darunter auch aufwändige Stuckarbeiten, sowie das Deckengemälde, welches die durch Friedrich Wilhelm geförderten Künste darstellte, waren allein aus politisch-repräsentativen Gründen für den Alabastersaal entstanden. Sie verdeutlichten die dynastische Legitimität der Hohenzollern durch eine angeblich bis in die Antike zurückreichende Ahnenreihe der eigenen Familie sowie das durch die Malerei wiedergegebene Thema des „Guten Regiments“ des Kurfürsten Friedrich Wilhelm. – Der Name des Festsaals ist jedoch irreführend. Er bezog sich auf das Material der Statuen, die jedoch nicht in Alabaster, sondern in Marmor gearbeitet sind. Bis auf die Figuren der Kurfürsten Joachim Friedrich (1546-1608) und Georg Wilhelm (1595-1640) haben alle Werke den Zweiten Weltkrieg überstanden und befanden sich danach bis 2012 im Neuen Palais in Potsdam. Der gesamte Zyklus wird als Leihgabe der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg ab Ende 2020 im Humboldt Forum im Berliner Schloss zu sehen sein.
Silke Kiesant