Der Aufsatzschrank ist eine zeittypische Zusammensetzung aus Spolien (alten Teilen), die - um neu angefertigte ergänzt und erweitert - zu einem Möbeltyp geformt wurden, der deshalb nur vage historischen Vorbildern entspricht. Bei einer Reihe von Teilen des Schrankes finden sich Bearbeitungstechniken und -spuren, die auf eine Anfertigung im späten 17. Jahrhundert schließen lassen, Teile der auf den süddeutschen Knorpelwerkstil der 1680er Jahre abzielenden Ornamentik, vor allem am Unterteil, sind aber wohl Ergänzungen des 19. Jahrhunderts. Der obere Teil war wohl ursprünglich ein Kabinettschrank, der auf einem tischartigen Untergestell ruhte. Darauf deuten der für Kabinettschränke charakteristische innere Aufbau, der in dieser Art auch an einer Reihe von Möbeln dieses Typs im späten 17. Jahrhundert vorkommt. Darüber hinaus finden sich Bearbeitungsspuren, die für einen ursprünglich anderen konstruktiven Kontext sprechen. Der neu angefertigte getreppte Aufsatz findet seine Vorbilder vereinzelt auf Kredenzschränken aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, ist aber auf so großen Möbeln wie diesem nicht nachzuweisen. Zusammengesetzt und ergänzt wurde der Schrank vermutlich in einer jener Tischlerwerkstätten, die neben dem Alltagsgeschäft ihr Geld auch mit restaurierten und vervollständigten Antiquitäten verdienten, und wurde direkt für den Flatoturm angefertigt beziehungsweise erworben. ....Jörg Meiner / Henriette Graf