Das gestickte Kreuz und der Samtgrund sind das fragmentierte Rückenteil einer Kasel, des liturgischen Obergewandes der Priester und Bischöfe bei der Messe. Wie die vielfachen Umarbeitungen zeigen, wurde die Kasel mehrfach umgeändert und verkleinert. Ihre ursprüngliche Form bildete wohl die im Mittelalter übliche Glockenkasel, die aus einem halbkreisförmigen, vorne zusammengenähten und bodenlangen Stoff bestand. Wahrscheinlich wurde sie bereits im 17. oder 18. Jahrhundert gemäß der damaligen Gepflogenheit, die noch gut erhaltenen Teile älterer Kaseln dem Stil der Zeit anzupassen, in der Länge und Breite beschnitten, wobei sie die zeitübliche Geigenform erhielt. Diesen Beschneidungen fiel schließlich das untere Bildfeld zur Hälfte zum Opfer. Auch wurde das Kaselkreuz von der Form eines Gabelkreuzes in die lateinische Kreuzform umgeändert. Eine erneute Umformung erfuhr die Kasel dann im 19. Jahrhundert, als das Rückenteil vom Vorderteil abgetrennt, der Samt ganz oder teilweise ergänzt, mit alten und neuen Tressen umsäumt und einem Baumwollstoff gefüttert wurde. Derartige Beschneidungen und Ergänzungen erfuhren liturgische Gewänder häufig, als sie als textile Kunstwerke zu begehrten Sammelobjekten avancierten, die durch die Bewegung der Priester stärker abgearbeiteten Vorderseiten beseitigt und die intakten Rückseiten als Wandschmuck wieder verwendet wurden. Die Kreuzigungsszene mit dem ermattet am Kreuz hängenden Christus, flankiert von den trauernd die Hände faltenden oder ringenden Figuren von Maria und dem Jünger Johannes, entspricht vielfach in der Druckgraphik um 1500 verbreiteten Kreuzigungsdarstellungen. An Stickereien finden sich sehr ähnliche Kreuzigungs- wie auch Heiligendarstellungen in Architekturnischen mit Kreuzrippengewölbe an Kaselkreuzen aus Köln bzw. der Gegend des Nieder- und Mittelrheins. Enge Übereinstimmungen zeigen sich etwa in einer fast identischen Gestaltung der Architektur, die hier wie dort einen in der Mitte v