Die in diesem niederländischen Gemälde aus dem 17. Jahrhundert vor Augen gestellte Unterrichtsszene in dörflicher Umgebung führt dem Betrachter in derb-humoristischer Überzeichnung das negative Gegenbild des zeitgenössischen bürgerlichen Erziehungsideals vor Augen. Im Mittelpunkt der Bilderzählung steht eine offenkundig zornentbrannte Lehrerin, die auf den entblößten Hintern eines ihrer im Klassenraum versammelten Zöglinge einschlägt. Einige Aspekte der Darstellung, so auch die körperliche Bestrafung der Schüler durch das Lehrpersonal, entsprechen zwar durchaus der damals gängigen Schulpraxis. Doch die im Affekt übertrieben verzerrten Gesichtszüge der Frau veranschaulichen, dass es sich hier keinesfalls um eine wohlüberlegte erzieherische Maßnahme, sondern vielmehr einen unkontrollierten Wutausbruch handelt. Zu diesem Fehlverhalten kommt hinzu, dass im Klassenraum sichtbare Unordnung herrscht – ebenfalls ein Verstoß gegen herrschende Sittlichkeitsvorstellungen. Der Maler nimmt aber nicht nur die Lehrerin aufs Korn. Indem er einige Kinder hinter deren Rücken weiterhin Schabernack treiben lässt, mahnt er in seinem Bild an, dass sich falsches Verhalten von Erwachsenen negativ auf die Moral der Kinder auswirken kann.
Obwohl der Maler einen Ausschnitt des bäuerlichen Lebens einzufangen scheint, dürfte er sein Gemälde für zahlungskräftige Käufer aus dem städtischen Bürgertum konzipiert haben. Den Stadtbewohnern dienten solche Bilder gleichzeitig zur Unterhaltung und zur Selbstvergewisserung ihres höheren gesellschaftlichen Status. Denn einerseits reizte die Darstellung zum Lachen, andererseits sahen sich die Bürger in ihrer über die Bauern erhabenen Stellung bestätigt, da sie Tugenden wie Anstand und häusliche Ordnung für sich reklamierten.
Bauerndarstellungen waren in der nord- und südniederländischen Kunst gleichermaßen beliebt. Als das Potsdamer Bild 1821 als Teil der Gemäldesammlung des englischen Kaufmanns Edward Solly (1776-1848) unter Friedrich Wilhelm III. angekauft wurde, galt es als Werk des holländischen Malers Isaac van Ostades. Eher ist es aber der Hand des flämischen Künstlers Anthonie Victorijns zuzuordnen, der dabei flämische wie holländische Einflüsse verarbeitet. Heute ist das Gemälde in Schloss Oranienburg zu sehen.
Jessica Korschanowski