Der Grafiker Walter Garski verbrachte 45 Jahre in Brandenburg an der Havel. In den 1920er Jahren erhielt er mehrfach Aufträge von der Stadt – so etwa für die Gestaltung von Motiven für Notgeld. In diesem Fall zeichnete er die markante Ecke des Neustädtischen Rathauses, an der der Roland platziert war.
In dieser stimmungsvollen Lithographie spiegelt sich ein künstlerisches Genre wieder, das sich seit dem Aufkommen von Gas- und später elektrischem Licht vor allen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in Berlin, Paris und London etabliert hatte: das geschäftige Treiben der Großstadt in künstlich erhellter Nacht. Der verschwenderische Umgang mit Licht als Symbol technischen Fortschritts und Wohlstands, aber auch dramatisch belichteter Momente von sozialen Widersprüchen faszinierte allein im nahen Berlin Maler wie Adolph Menzel (1815-1905), Franz Skarbina (1849-1910), Lesser Ury (1861-1931) und Hans Baluschek (1870-1935). Walter Garski ließ sich bei seinen Stadtansichten, vor allem in den 1920er Jahren, sicher auch von diesen Größen inspirieren. Allerdings ist Brandenburg nicht Berlin und die hier dargestellte Kreuzung von Hauptstraße und Neustädter Markt war und ist nicht annähernd vergleichbar mit der Gegend um den Kurfürstendamm. Die Szene wirkt auch im Bereich der Hauptstraße mit ihren Geschäften und Cafés eher betulich. Doch darum ging es Garski vielleicht auch gar nicht. Vielmehr faszinierte ihn wohl die Südwestecke des Rathauses mit dem Roland als Scheide zwischen Licht und städtischem Leben in der Hauptstraße links und dem dunklen und menschenleeren Eingang zum Neustädter Markt rechts. [Thomas Sander]