Ferdinand Bellermann wurde zunächst in Weimar als Porzellanmaler und ab 1833 an der Berliner Akademie der Künste als Landschaftsmaler ausgebildet. Reisen nach Rügen, Norwegen, Südamerika und Italien spiegeln sich in seinen Werken. Prägend für sein Oeuvre war jedoch die von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen geförderte dreijährige Reise nach Venezuela, 1842-1845. Die auf dort angefertigten Studien basierenden "Urwaldlandschaften" - tropische Landschaften Venezuelas - gehören zu seinen bekanntesten Gemälden. In den preußischen Sammlungen befanden sich einst mindestens 19 Gemälde von seiner Hand, daneben zahlreiche Ölskizzen, Aquarelle und Zeichnungen. Die "Waldpartie bei San Esteban“ (Südamerikanische Urwaldlandschaft mit Ureinwohnern am Lagerfeuer) wurde 1862 von König Wilhelm I. von Preußen (der spätere Kaiser Wilhelm I.) beim Künstler in Auftrag gegeben, nachdem dieser eine Skizze eingereicht hatte. Hierbei handelt es sich möglicherweise um GK I 51037. Heute sind beide Gemälde im Schloss Charlottenburg zu sehen Drei Jahre später entstand die "Jagd auf den Jaguar" als formatgleiches Gegenstück (GK I 799). Zwei weitere formatgleiche Darstellungen der Landschaft Venezuelas, deren Verbleib heute unbekannt ist, gehörten ebenfalls zu dem Ensemble, das im Berliner Schloss aufbewahrt wurde.
In seiner „Waldpartie bei San Esteban (Südamerikanische Urwaldlandschaft mit Ureinwohnern am Lagerfeuer)“ von 1863 gibt Bellermann den Blick auf einen Fluss frei, der sich ausgehend vom unteren rechten Bildrand diagonal durch die Bildfläche erstreckt. Am Ufer zeigt sich eine detailliert ausgeführte Pflanzenvielfalt verschiedener Bäume und anderer Gewächse. Ein umgeknickter Baumstamm hat sich in den Felsblöcken im Bach verfangen und ragt schräg vom Ufer in das Gewässerbett. Im rechten Hintergrund eröffnet sich der Blick auf eine Bergformation mit einem kleinen Wasserfall. Im Zentrum des Bildes sitzt ein buntes Papageienpaar. Ein Jaguar schleicht oberhalb des linken Ufers zwischen den Bäumen in das Waldinnere hinein. Erst auf den zweiten Blick erscheinen im Hintergrund des rechten Bilddrittels Menschen der indigenen Bevölkerung Venezuelas um ein Lagerfeuer gruppiert.
Die Menschen sind dabei nicht als Individuen zu erkennen, sondern als stereotypische Gruppe. Zwar konnte Bellermann die abgebildeten Tiere und Menschen auf seiner Reise sehen, doch widmete er sich mit Leidenschaft eher der Landschaftsmalerei. Die figürlichen Szenen hielt er in seinem Skizzenbuch fest, um sie später gegebenenfalls als Staffage in seine Landschaften einzufügen. Die „Waldpartie bei San Esteban“ entstand fast 20 Jahre nach seiner Rückkehr. Der Künstler orientierte sich an seinen vor Ort gemachten Skizzen und komponierte daraus später eine detaillierte Landschaft, die er dann mit figürlicher Staffage versah. Die dargestellte Natur ist folglich kein genaues Abbild eines Landschaftsausschnittes. Sein Interesse folgte vielmehr der künstlerischen Wiedergabe seines Gesamteindrucks des venezolanischen Naturcharakters und der detailliert ausgearbeiteten Vegetation. Deshalb verwundert es nicht, wenn er die Menschen der indigenen Bevölkerung und die einheimische Tierwelt nur als Beiwerk erscheinen lässt, um die vermeintliche „Exotik“ des venezolanischen Urwaldes zu verstärken. In seinem Tagebuch beschreibt der Künstler unterschiedliche Begegnungen mit der indigenen Bevölkerung. Teilweise sei er auf Ausflügen zufällig auf sie gestoßen und teilweise habe er sie als Reiseführer in Dienst genommen. Dabei bleibt es unklar, unter welchen Umständen und Verhältnissen seine Beobachtungen zustande kamen.
Sowohl in seinen schriftlichen Äußerungen als auch in seinen bildlichen Darstellungen wird seine europäische Sichtweise auf die indigene Bevölkerung deutlich. In seinen Gemälden führt er den europäischen Betrachter:innen einen Kontrast zu der eigenen Erfahrungswelt vor Augen und wird somit – dem Zeitgeschmack entsprechend – den Erwartungen des europäischen „Exotismus“ gerecht.
Dr. Alexandra Nina Bauer (2017) / Carina Anderwald (2022)