Jakob Philipp Hackert hatte die Kunst des Radierens wohl schon in seiner Jugend in Berlin gelernt, sie dann 1762-1764 zur Verarbeitung seiner Rügenerlebnisse und noch einmal für Motive aus der Normandie 1766/1767 angewendet. Erst jetzt, 1779 nach bereits zehn Jahren in Rom, sein jüngster Bruder Georg Abraham Hackert war nach Italien gekommen und war im Begriff einen eigenen Verlag aufzubauen und Werke nach Hackert zu stechen, holte er die Radier-Utensilien wieder hervor. Das Vietri-Blatt von 1779 ist das erste Blatt nach so langer Zeit und Teil einer vier Blätter umfassenden kleinen Folge mit Ansichten aus dem Königreich Neapel, die sich meist im Hochformat Charakterbäumen widmet. Er katapultiert sich mit diesen Blättern unter die ersten Radierer Roms und übertrifft gar Volpato und Piranesi darin. Doch überlässt er danach die Druckgraphik ganz seinem Bruder. Erhalten hat sich auch ein Aquarell mit diesem Motiv in Privatbesitz.
Dargestellt ist ein nach rechts in die Tiefe schwingender Weg, der an einem steilen Tal entlang auf einen Ort mit Kirche zuführt, hinter welchem sich hoe Berge erheben. Eine rechts am Hang einsam aufsteigende junge Eiche bildet den Blickfang des Weges. Auf dem Weg einige Landleute.
Das Blatt ist bezeichnet Mi. u. "Suite de IV Vues dessineés dans la Roiaume de Naples et Gravès par Ja. Ph. Hackert a rom 1779." Darunter die Ortsbezeichnung "À Vietri", und wiederum darunter eine Widmung "Dediée à Monsieur Reiffenstein conseiller Privé des Legations / de Son Altesse Serenissime Monseigneur la Margrave de Brandeburg Anspac et Bareuth." Ganz re. u. der Ergebenheitsvermerk und der Hinweis auf den Verleger "Par très huble Serviteur et ami / Ja. Ph. Hackert / Se vend chez George Hackert à Rome Place d'Espagne." Es handelt sich um ein prachtvolles Exemplar des ersten Zustandes, später hat sein Bruder Georg die Platte überarbeitet.
Das Blatt ist in einem schwarzen Holzrahmen des 19. Jahrhunderts mit Goldleiste gerahmt. Es wurde 1983 für das Prenzlauer Museum erworben.
Literatur:
Katalog der Druckgraphik, bearbeitet von Norbert Miller unter Mitarbeit von Margarethe Oppel, in: Kat. Lehrreiche Nähe: Goethe und Hackert 1787-1811, hrsg. von der Stiftung Weimarer Klassik, Ausstellung Weimar 1997, S. 50-200.
Kat. Il Paesaggio secondo Natura. Jacob Philipp Hackert e la sua cerchia, hrsg. von Wolfgang Krönig und Claudio Marinelli, Ausstellung in Rom 1994, Nr. 62.1 m. Abb. S. 221 des Exemplars des Istituto Nazionale per la Grafica in Rom, dem das Prenzlauer Exemplar an Schönheit nicht nachsteht.