Caspar David Friedrich zählt zu den bedeutendsten Vertreten der romantischen Landschaftsmalerei in Deutschland. Er vertrat die Meinung, dass ein Landschaftsmaler „treu und wahr die Natur nachzubilden“ habe, ihrem Abbild aber über die bloße Naturimitation hinaus gleichzeitig auch einen metaphysisch-erbaulichen Verweischarakter verleihen solle.
Nach einer Reise im Spätsommer 1815 in seine Geburtsstadt Greifswald schuf der Maler diese Hafenansicht, für die er Motive aus seinen Zeichenstudien aufgriff und versatzartig zu einer beziehungsreichen Komposition zusammenfügte. Vor dem Glühen des Abendhimmels bilden die beiden Segler, die links und rechts einmal vom Bug und einmal vom Heck her zu sehen sind, sowie der über und neben ihnen in vielerlei Kreuzformen sich erhebende Mastenwald der ankernden Schiffe bildräumlich eine Passage, auf die ein kleines Ruderboot zuhält. Bemannt mit zwei Ruderern und einem Lotsen, steuern darin ein Mann und eine Frau dem Abendrot entgegen. Im Rahmen der christlich-religiös aufgeladenen Bildsprache Friedrichs könnte der abendliche Hafen als Sinnbild für den Übergang des Menschen aus dem diesseitigen in das jenseitige Leben zu verstehen sein. Die im Hintergrund in die Hafenpassage einlaufenden Schiffe würden in diesem Zusammenhang auf das Ende der irdischen Existenz vorausweisen, während das auslaufende Ruderboot die Frommen gleichsam der Wiederauferstehung und dem Ewigen Leben in Christo entgegenträgt.
Seinen Erfolg als Maler verdankte Friedrich nicht zuletzt auch der frühen Förderung durch das preußische Königshaus. Die beiden Hauptwerke „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“ (heute in der Alten Nationalgalerie, Berlin) waren bereits 1810 auf Wunsch des erst 15jährigen Kronprinzen von König Friedrich Wilhelm III. angekauft worden und trugen durch ihren prominenten Besitzer zu Friedrichs künstlerischem Aufstieg bei. 1816 erwarb der König auch die Hafenansicht und schenkte sie Kronprinz Friedrich Wilhelm (IV.) zum 21. Geburtstag. Heute ist das Bild mit weiteren Werken Friedrichs im Neuen Pavillon im Schlosspark Charlottenburg ausgestellt.
Jessica Korschanowski