Der römische Autor Titus Livius (59 v. Chr. - 17 n. Chr.) berichtet in seiner Geschichte Roms (Ab urbe condita) von Romulus, dem ersten römischen König. Um den Mangel an Frauen auszugleichen, der kurz nach der Gründung Roms dort herrschte, befahl er den römischen Männern während eines Kampfspiels, das sie für ihre Nachbarn, die Sabiner, veranstalteten, deren unverheiratete Frauen zu rauben. Dieser Frauenraub, der das Bestehen des frühen römischen Staates sicherte, ist ein in der Barockzeit beliebtes Thema. Auch der neapolitanische Maler Luca Giordano griff es mehrfach auf. Von dem Potsdamer Gemälde fertigte er eine zweite Version, die sich heute in der Galleria Nazionale im Palazzo Spinola in Genua befindet.
Den Angriff der Soldaten auf die Frauen zeigt Giordano an fünf Paaren, die er möglichst variantenreich gestaltet. In der Mitte der Komposition hat ein Soldat eine der Frauen mit festem Griff emporgehoben und eilt mit weitem Schritt, um seine Beute zu entführen. Vergeblich versucht sie, sich mit einer Drehbewegung, deren Heftigkeit ihr wehendes blaues Gewand anzeigt, aus dem Griff des Angreifers zu entwinden. Von dieser Gruppe ausgehend, scheinen die anderen Figuren in alle Richtungen auseinanderzustreben. Giordanos lockerer Pinselstrich und die Farbigkeit seiner Motive unterstützen den Eindruck von Bewegung.
Für seine Erfindung der zentralen Entführungsgruppe könnte Giordano Berninis Statue des Raubes der Proserpina durch Pluto als Anregung gedient haben.
Das Gemälde ist fest in die Wanddekoration der Oberen Galerie des Neuen Palais eingebaut.
Franziska Windt