Der Bildteppich aus der Serie "Italienische Komödie" aus der Berliner Manufaktur Charles Vigne zeigt ein "Galantes Paar". Der Kavalier mit Pilgerhut und weinumkränztem Stab geht direkt auf den "Winzer" zurück, den Antoine Watteau für die Wanddekoration des Hôtel de Nointel in Paris gemalt hat und der überliefert ist durch einen gemeinschaftlich von Edme François Gersaint und Louis Surugue verlegten Stich von Jean Moyreau (Abb. in: Jean Cailleaux, Decorations by Antoine Watteau for the Hôtel de Nointel. In: The Burlington Magazine, vol. 103 (Nr. 696), 1961, S. 5, fig. 7).
Allen Tapisserien der Serie ist gemeinsam, dass die aus der französischen Malerei übernommenen Figuren der Commedia dell’arte auf einer Bühne agieren. Die Kulisse bildet ein architektonisch-formaler Barockgarten mit Broderieparterres, Bosketten, Orangenbäumen, Pavillons und Treillagen, der durch eine Balustrade von der Bühne im Vordergrund des Bildes abgegrenzt ist. Hier treten die Komödianten auf einem gewürfelten Fliesenboden und umrahmt von einer Bogenstellung mit herabhängenden Blumengirlanden auf.
Welcher Künstler die Stiche nach Antoine Watteau, Nicolas Lancret oder Jean-Baptiste Pater jeweils in eine Vorlage für die Tapisserie-Wirker, den sogenannten Karton, umwandelte, ist nicht belegt. Möglicherweise könnte Antoine Pesne die Kartons für die ganze Serie angefertigt haben, weil in schriftlichen Quellen Wandteppichentwürfe ähnlichen Themas von Pesne für den Würzburger Fürstbischof Friedrich Carl von Schönborn erwähnt sind (abgedruckt bei Heinrich Göbel: Wandteppiche, Teil 3, Die germanischen und slawischen Länder, Band 1, Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert). Leipzig 1933, S. 306). Stilistische Gründe sprechen jedoch dagegen. Pesne hätte vermutlich die französischen Vorbilder in eigene Bilderfindungen umgewandelt.
Die Folge wurde erst 1762 aus den Beständen der damals im Niedergang begriffenen Manufaktur Vigne für das Schloss Charlottenburg erworben. Die Plünderungen des Schlosses durch russische und österreichische Truppen im Oktober 1760 hatten zum Verlust der ehemals französischen Tapisserien in den beiden Vorzimmern der Paradekammern Friedrichs I. geführt. Durch den Ankauf vorhandener Bildteppiche aus Vignes Lagerbeständen ermöglichte man eine schnelle Wiederherstellung der Räume in Charlottenburg mit Tapisserien. Damit behielt man die Art der Wandverkleidung bei, die hier seit dem frühen 18. Jahrhundert unter Friedrich I. tradiert war, obwohl sie schon lange unmodern geworden war. Dass aus dem Angebot der Vigneschen Manufaktur ausgerechnet die Folge „Italienische Komödie“ ausgewählt wurde, könnte ganz pragmatisch an der passenden Größe für die Räume gelegen haben. Möglich wäre aber auch, dass die Übereinstimmung der in den Tapisserien dargestellten formalen Gärten mit dem realen Schlosspark direkt vor den Fenstern der Paradekammern in Charlottenburg für die Auswahl entscheidend war.
Die Tapisserie "Galantes Paar" hing zeitweise in der Ersten Hautelisse-Kammer (Erstes Vorzimmer, R.103) der Paradekammern im Mittelbau des Schlosses Charlottenburg (Altes Schloss). Heute ist sie deponiert. Die sechs weiteren Stücke der Serie in den Beständen der SPSG werden in der Ersten und Zweiten Hautelisse-Kammer gezeigt.
Susanne Evers (2021)