Vergleichsobjekte
Museum für Hamburgische Geschichte, Inv. Nr. 1919.301, Dielenuhr, bez. „ERNST KLEEMEYER A BERLIN“
Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg, Inv. Nr. 1910, 437, Eckschrank mit Uhrenaufsatz, bez. „C. E. Kleemeyer in Berlin“
Privatbesitz, Dresden, Bodenstanduhr, bez. „C. F. Kleemeyer IN BERLIN“
Privatbesitz, Schwerin, Eckschrank mit Uhrenaufsatz, bez. „C. F. Kleemeyer IN BERLIN“
Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv. Nr. KH 98-87 UH, Ernst Kleemeyer, Uhrwerk einer Bodenstanduhr, um 1770
Material/Technik
Gehäuse: Kirschbaumholz; Uhrwerk: Messing, Stahl, 2 Gewichte: Blei; Glas, Email, früher Darm- jetzt Kunststoffsaite
Maße
Höhe 198,8 cm, Breite 44,5 cm, Tiefe 25 cm
Das rechteckige Messing-Vollplatinenwerk (H: 16 cm; B: 11,53 cm; Platinenstärke: 0,28 cm, Werkpfeiler mit abgeflachtem, mittigem Nodus und konischen Ansätzen zu den Platinen, H: 6,2 cm), Kadratur auf der Vorderplatine, verfügt über ein Rechenschlagwerk, eine große Glocke über dem Werk, Ankerhemmung (Clementhemmung), Sekundenpendel mit Pendelfeder und Gewichtsantrieb sowie Datumsanzeige. Der Gewichtsaufzug ist mit Bleigewichten, die über „loser Rolle“ auf synthetischen Seilen (ursprünglich Darmsaiten) laufen, ausgestattet.
Das schüsselförmige Email-Zifferblatt (D: 23 cm) zeigt große arabische Stunden- und kleinere 15-Minutenziffern, eine Minuterie mit Punkten, die Fünfminuten zwischen den Viertelstunden hervorgehoben durch einen kräftigen Punkt mit zwei kleineren Nebenpunkten. Im Innenkreis sind die Datumsziffern 1 bis 31 in Zweierschritten angeordnet, getrennt durch vier rautenförmig angeordnete Punkte. Zwei Aufzugslöcher liegen bei 4 und 8. Die vergoldeten Messing-Zeiger sind durchbrochen gearbeitet und graviert. Der ebenfalls durchbrochene, aber nicht gravierte Datumszeiger aus geschwärztem Stahl besitzt eine lanzenförmige Spitze. Er ist nicht mehr original, sondern wurde während des Ersten Weltkrieges in veränderter Form von einem Uhrmacher in Berlin-Schmargendorf erneuert. Über der 60 befindet sich der Abstellhebel für das Schlagwerk.
In seiner Uhrenbeschreibung erwähnt Friedrich Fontane, dass die Uhr in den 40 Jahren, in denen sie in seinem Besitz war, nur einmal gereinigt wurde. Weiter vermerkt er, dass während der Inflationszeit eine Saite gerissen sei und ein Neuruppiner Uhrmacher eine neue aus Berlin besorgen musste, die aber etwas zu dick gewesen sei, weshalb die Uhr beim Aufziehen quietsche.
Der Verfertiger der Mechanik, Christian Friedrich Kleemeyer, war einer der beiden Söhne des berühmten Berliner Uhrmachers Christian Ernst Kleemeyer (1739-1799). Wie sein Bruder Carl Heinrich Ernst hatte er seine Lehrzeit in der väterlichen Werkstatt absolviert. Das Grundmodell des schlichten, fast schmucklosen Gehäuses aus einfachen geometrischen Körpern gab es schon um 1790 bei Christian Ernst Kleemeyer. Jener benutzte häufig edle Furniere aus geflammtem Mahagoni und Ebenholz und ließ sie sparsam mit feuervergoldeten Bronzeornamenten dekorieren. Für bürgerliche Haushalte wandelte Christian Friedrich diese vornehme Variante um 1800 ab und nutzte vor allem heimische Hölzer für die Gehäuse. Nach dem Tod des Vaters übernahm er dessen Berliner Uhrenmanufaktur und führte sie bis zu seinem eigenen Ableben 1813 weiter. In dieser Zeit, in die der soziale Aufstieg von Pierre Barthélemy Fontane fiel, muss die Uhr entstanden sein. Sie zeichnet sich durch ein solides und präzises Uhrwerk von großer Zuverlässigkeit aus und funktioniert noch heute tadellos. (Franka Görike, Silke Kiesant)