Peter Paul Rubens besaß neben einer umfassenden Bildung auch eine exzellente Kenntnis der antiken Skulptur. So wurden die Protagonisten seiner Historiendarstellungen vor allem nach dem Italienaufenthalt von 1600-1608 gelegentlich nach Werken antiker Bildhauer gestaltet, die er in Zeichnungen festgehalten hatte. Rubens besaß selbst auch eine Sammlung antiker Kunstwerke. Hierzu gehörte unter anderem eine Büste des römischen Kaisers Julius Cäsars, die er 1618 mit der Skulpturensammlung des englischen Gesandten am Haager Hof, Dudley Carleton, erworben hatte. Eine Zeichnung, die Rubens nach einer Büste Julius Cäsars anfertigte, gibt vermutlich diese Büste wieder, bevor der Künstler die Skulpturensammlung 1627 an den Duke of Buckingham verkaufte. Zwei Gemälde von Rubens gehen auf diese Büste oder auf deren Nachzeichnung zurück. Hierzu gehört neben der hier besprochenen Darstellung Cäsars auch ein Bild in der Leiden Collection in New York von um 1625/1626. Sowohl die Gemälde als auch die Zeichnung zeigen, der antiken Büstenform entsprechend, den römischen Herrscher im Ausschnitt des Bruststücks. Im Vergleich des Gemäldes GK I 972 zur Zeichnung lassen sich jedoch gewisse Unterschiede feststellen. Unter anderem ist der Dargestellte auf der Zeichnung im strengen Profil und ohne Umhang wiedergegeben. Das Gemälde zeigt den lorbeerbekränzten Cäsar in einem Brustpanzer und einem roten Umhang. Mit festem Blick fixiert er den Betrachter, was Puhlmann 1790 in seiner Beschreibung des Gemäldes in der Bildergalerie des Berliner Schlosses mit den charakterlichen Eigenschaften des römischen Kaisers in Verbindung brachte.
Auf der Vorlage von Suetons Kaiserviten zwölf römischer Cäsaren „De Vita Caesarum“ aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus, entstanden vor allem im 16. und 17. Jahrhundert zahlreiche Serien römischer Kaiser durch italienische, flämische und nordniederländische Künstler. Fürsten und Könige umgaben sich gerne mit den Bildnissen antiker Herrscher, die in Beziehung zur eigenen Herrscherwürde gesetzt wurden.
So gehört auch das Gemälde von Rubens zu einer um 1616-1625 entstandenen zwölfteiligen Serie von Bildnissen römischer Cäsaren, die von berühmten flämischen und holländischen Malern des 17. Jahrhunderts angefertigt wurde. Neben Rubens waren die Maler Abraham Janssens, Gerard Seghers, Hendrik Goltzius, Henrik Terbrugghen, Dirck van Baburen, Paulus Moreelse, Gerrit van Honthorst, Abraham Bloemaert, Werner van den Valckert, Cornelis Cornelisz van Haarlem und Michiel van Mierevelt, mit einzelnen Bildnissen an der Serie beteiligt. Entsprechend bildet die Serie keine stilistische Einheit und zeigt in jedem Gemälde den jeweiligen persönlichen Stil der Künstler, die unter anderem in Antwerpen, Amsterdam, Delft, Haarlem und Utrecht tätig waren. Das Bildnis Cäsars von Peter Paul Rubens stellt dabei das bedeutendste Gemälde der Serie dar.
Die Serie war bereits vor 1680 Teil der Sammlung des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688) und wurde um 1673-1680 durch den Hofkupferstecher Johann Friedrich Leonard im graphischen Medium des Mezzotinto reproduziert. Da die zwölf Gemälde zwischen 1616 und 1625 fertiggestellt wurden, können sie nicht der Ankaufstätigkeit des Großen Kurfürsten entstammen. Bislang wird vermutet, dass ihre Herkunft auf die Sammlung des Statthalters Moritz von Oranien-Nassau (1567-1625) oder dessen Halbbruder Friedrich Heinrich von Oranien-Nassau (1584-1647) zurückgeht, obwohl sie in keinem Inventar der Oranier erwähnt wird. 1698 ist die Serie im Schloss Caputh verzeichnet, 1700 wird sie ins Schloss Berlin überführt. Heute wird sie erneut im Schloss Caputh gezeigt.
Dr. Alexandra Nina Bauer