Bei dieser Ansicht vom Genfer See handelt es sich um eine kolorierte Umrissradierung, die für die wachsende Zahl von Alpen-Touristen damals in Mode waren. Die Malerei suggeriert, dass es sich hier um ein malerisches Unikat handelt, die darunterliegende Radierung ermöglicht Masseproduktion. Nur bei genauem Vergleich sind die Unterschiede zwischen diesem und einem weiteren Exemplar dieses Motivs in der Sammlung des Prenzlauer Museums zu erkennen. Das Besondere der Hackertschen Umrissradierungen sind ihre sehr dünne und feine Radierlinie.
Carl Ludwig Hackert (1751-1798) ist der vielleicht unglücklichste der Hackert-Brüder, auch er im Schatten seines berühmten Bruders Jakob Philipp stehend, mehr als zehn Jahre jünger als dieser. Auch Carl Ludwig erhielt seine erste Ausbildung in Prenzlau und Berlin und folgte dann 1772 seinem Bruder nach Italien, und zwar an der Seite seines älteren Bruders Friedrich Wilhelm (1748-1780). Kurz darauf versuchte er allein in der Schweiz sein Glück mit Gouachen und kolorierten Umrissradierungen von Schweiz-Ansichten, vor allem aus der Umgebung von Genf und Lausanne. Diese Ansichten waren Souvenirs für eine wachsende Zahl von Alpen-Touristen, wobei Carl Ludwig hier mit großen Formaten auf finanzkräftige unter ihnen spekulierte. Aber das Unternehmen war finanziell nicht sehr erfolgreich, ein Besuch beim Bruder in Neapel 1789 stand im Zeichen von finanzieller Unterstützung durch diesen. In der Landschaft, die er künstlerisch immer wieder dargestellt hat, bei Morges am Nordufer des Genfer Sees, etwa 10 km westlich von Lausanne, beging er im Oktober 1798 Selbstmord. Nur einzelne Gemälde und nicht mehr als zwanzig Motive in Gouache oder Umrissradierung sind bisher von ihm nachgewiesen.
Dieses Blatt, bereits vor 1945 in der Sammlung, ist in der Dauerausstellung zu besichtigen, die Bezeichnung Mi. u. in der Darstellung "Carl Hackert fe:" ist dabei im Rahmen versteckt. Für den Schutz des Blattes vor UV-Strahlung wurde Schutzfolie an den Fenstern und auf dem Bilderglas aufgebracht.