Schaftform; der Cul-de-lampe besteht aus einer gitterartig durchbrochenen Konsole in der Form von Ewig-Licht-Ampeln des 18. Jahrhunderts (Baer, Winfried: Großer Kronleuchter zu 21 Kerzen, in: Kaiserlicher Kunstbesitz aus dem holländischen Exil Haus Doorn, bearb. v. Ilse Baer, Ausstellung, Berlin, Staatliche Schlösser und Gärten Berlin, 1991, Berlin 1991, S. 111-113, Kat. Nr. 103.); darin stecken die 8 großen Leuchterarme mit ihren Kerzentüllen, alle umwunden von aufgelegten Ranken mit Blüten aus Porzellan und geschmückt mit Pendeloquen, die als Blumenarrangements gestaltet sind; die Tüllen in Form von Blattkelchen und die Tropfteller als sternförmig angeordnete Blätter; zwischen den Armen sitzen auf der unteren Konsole 4 musizierende Damen, zwei mit Flöte, eine mit Laute und eine Sängerin; der Schaft ist umkleidet von mehrfach balusterförmig geschwungenen Porzellanteilen, die beiden unteren Teile gitterartig durchbrochen; im oberen Teil eine weitere Konsole, in die 4 Leuchterarme eingesteckt sind, geschmückt mit kleinen Pendeloquen aus Blütenarrangements in Form gläserner Hohlglaspendeloquen der Glasarmkronleuchter; dazwischen 4 c-förmig geschwungene Blattarme, die den oberen Abschluss bilden; der Bas-de-lustre aus gitterartig durchbrochenem, balusterförmigem Teil, daran hängt ein großes Blütenarrangement.
Diese fast bieder wirkende traditionelle Gestaltung ist vollkommen materialgerecht. Bei der Modellierung und Bemalung sind alle Gestaltungsmöglichkeiten des Materials Porzellan ausgenutzt. Bestechend sind die bis ins kleinste Detail ausgeformten schmückenden Elemente aus unterschiedlichsten, naturgetreu nachgeahmten Blüten und Blättern sowie die Blütenarrangements der Bemalung. Die Grundform des Schaftkronleuchters ist typisch für barocke Kronleuchter aus den Materialien Messing, Glas, Holz oder Silber. Offensichtlich wurden bei diesen Porzellanleuchtern Techniken aus der Glasherstellung umgesetzt. Besonders deutlich sichtbar ist das an den Kerzenarmen und den tropfenförmigen Pendeloquen der oberen Arme.
In Meißen ist das Kopieren von Objekten aus anderen Materialien nicht unüblich gewesen; das betraf silberne Tafelleuchter und Glasarmkronleuchter. Für diese Kronleuchter hat vermutlich ein venezianischer Glaskronleuchter als Vorbild gedient. Obwohl kein solcher mehr erhalten ist, muss es venezianische Leuchter am sächsisch-kurfürstlichen/königlich-polnischen Hof in Dresden gegeben haben, denn 1738 bis 1740 war der sächsische Kurprinz Christian August (1722–1763) auf einer Italienreise, während der er sich fast sechs Monate in Venedig aufhielt (Ausst. Kat. Eine gute Figur machen, 2000, S. 282-283). Dabei hat er zahlreiche Andenken mit nach Dresden gebracht, wie beispielsweise die Federzeichnung des venezianischen Theaters Grimani mit der Dekoration eines zu seinen Ehren veranstalteten Festes (Federzeichnung [Detail], Jol[l]i, Antonio, Reggia della Dea Flora [Palast der Göttin Flora, Festdekoration für das Teatro Grimani in Venedig], Kupferstichkabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Inv. Nr. C 1979-12.).
Die darauf akribisch gezeichneten zehn unterschiedlichen Kronleuchter bestanden aus Glas, was anhand der Verzierungen am Schaft (Blätter und Blüten, die es so nur bei ganz aus Glas gefertigten Kronleuchtern gibt) klar erkennbar ist. Sie waren das Neueste, was sich auf dem Markt befand, und sind wohl bei diesem Fest dem sächsischen Kurprinzen präsentiert worden, denn in Venedig war es erst zwischen 1710 und 1737 möglich, ein Pottascheglas zu fertigen, das sich zur Herstellung von gläsernen Kronleuchterarmen eignete. Bei keinem anderen Porzellanobjekt aus Meißen – außer dem ersten Meißner Kronleuchter (Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. BK-17463) – findet sich noch eine solche Umsetzung von Glastechniken in Porzellan. Baer sieht in der Gestaltung der Meißner Leuchter eine Vorstufe zu den KPM-Kronen (Baer, Winfried: Großer Kronleuchter zu 21 Kerzen, in: Kaiserlicher Kunstbesitz aus dem holländischen Exil Haus Doorn, bearb. v. Ilse Baer, Ausstellung, Berlin, Staatliche Schlösser und Gärten Berlin, 1991, Berlin 1991, S. 111-113, Kat. Nr. 103.).
Käthe Klappenbach