Erdteilallegorien waren in der Zeit des 16. bis 18. Jahrhunderts ein beliebtes Thema in der europäischen Kunst. Auch im höfischen Kontext wurden sie innerhalb von Schlossausstattungen gerne als Repräsentationsmedium genutzt, um den Hoheitsanspruch des jeweiligen Herrschers und seine (wenn auch nur angestrebte) Stellung innerhalb der Welt zu verdeutlichen. Die 1694 entstandene „Allegorie auf den Erdteil Asien“ gehörte einst zur Ausstattung des Berliner Schlosses. Sie ist Teil einer Serie von vier großformatigen Gemälden, die Allegorien der vier damals bekannten Erdteile Europa (GK I 5179), Asien, Afrika (GK I 5177) und Amerika (GK I 5178) darstellen und die heute im Schloss Charlottenburg gezeigt werden. Die Erdteile werden jeweils durch weibliche Figuren personifiziert, die sich mit weiteren Figuren, Pflanzen und Tieren sowie typisierenden Accessoires umgeben.
Einer traditionellen Hierarchisierung der Erdteile in der europäischen Kunst des 16. bis 18. Jahrhunderts folgend, wird dem Kontinent Asien (Vorderasien, speziell das persische Reich) in der Gemäldefolge Augustin Terwestens der zweite Rang zuerkannt – nach Europa und vor Afrika und Amerika. Aufgrund des sagenumwobenen Reichtums der asiatischen Höfe und ihrer zivilisatorischen Errungenschaften rechnete man es aus europäischer Sicht zu den „zivilisierten“ Erdteilen und stellte es gemeinsam mit Europa den „wilden“ Kontinenten Afrika und Amerika gegenüber. Die Personifikation „Asiens“ sitzt – von einer dreistufigen Estrade erhöht - auf einem Thron, ein Zepter mit Halbmond in ihrer Linken. Als weitere Hoheitszeichen erkennt man im Hintergrund Säulen, die - von einer Draperie umweht - eine Palastarch
itektur andeuten. Ein geflügelter Genius in der oberen Bildhälfte bekrönt die Personifikation Asiens mit einer edelsteinbesetzten und perlengeschmückten Goldkrone.
Vor allem seit der Publikation von Cesare Ripas „Iconologia“ im Jahr 1604, die im 17. Jahrhundert auch in deutschen und niederländischen Ausgaben vorlag, hatte sich ein Kanon stereotyper Darstellungsformeln für Erdteilallegorien herausgebildet. In leicht veränderter Form kehrten sie häufig in der europäischen Kunst wieder, so auch in der Gemäldeserie Augustin Terwestens: Der Reichtum Asiens wird hier durch zahlreiche Juwelen und ein kostbares, goldbesticktes Gewand angedeutet. Die als Asien-typisch empfundenen Attribute wie Gewürze oder wohlriechende Harze (Weihrauch) beziehungsweise Duftwässer sind der Darstellungstradition folgend ebenfalls im Bild wiedergegeben: Als Rauch entströmen sie einem Räuchergefäß oder werden über einen Sprinkler über die Szenerie getropft. Auch die im Bild wiedergegebenen Motive des Dromedars, der Seide (hier: der in ein Seidentuch gehüllte Putto), sowie des Turbans sind typische Attribute, die in Allegorien des Erdteils Asien Verwendung fanden.
Neben der Hierarchisierung des zivilisatorischen Rangs spielte auch der merkantile Aspekt eine Bedeutung in der europäischen Erdteilallegorie des Barocks. Hier standen vor allem die Handelsinteressen der Herrscher Europas im Vordergrund. So galt beispielsweise Persien (Asien) als bedeutender Handelspartner Europas, sowohl aufgrund des Exports von Waren wie Edelmetalle, Gewürze, Weihrauch, Seide und Duftwässer, als auch wegen der im Land angesiedelten Handelsstützpunkte, die den europäischen Partnern die Handelsrouten gen Osten garantierten.
Augustin Terwesten (1649-1711), ein aus der Republik der Vereinigten Niederlande stammender Hofmaler des Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg (1657-1713), schuf die Gemälde höchstwahrscheinlich im Auftrag seines Dienstherrn. Dort befanden sie sich bereits vier Jahre nach ihrer Anfertigung, wahrscheinlich in einem der Spree oder dem Schlossplatz zugewandten Teil des Berliner Schlosses. Im Gegensatz zu Handelsnationen wie der Republik der Vereinigten Niederlande und Großbritannien konnte Brandenburg-Preußen jedoch nie seinen Wunsch nach der Gründung einer ostasiatischen Handelskompanie verwirklichen und damit den direkten Handel mit der Region betreiben. Derartige Ansätze waren in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mehrfach unter dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg verfolgt worden, kamen jedoch nie zur Ausführung.
Dr. Alexandra Nina Bauer (2022)
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