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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Textil [IX 1133]
Vigne, Charles (Manufaktur): Bildteppich "Galante Szene mit verliebten Paaren auf einer Bank mit Blumenvase", Serie Italienische Komödie, um 1745, IX  (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg / Pfauder, Wolfgang (2014) (CC BY-NC-SA)
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Tapisserie "Galante Szene mit verliebten Paaren auf einer Bank mit Blumenvase", Folge Italienische Komödie

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Beschreibung

Der Bildteppich "Galante Szene mit verliebten Paaren auf einer Bank mit Blumenvase" aus der Serie "Italienische Komödie" wurde um 1745 in der Berliner Manufaktur Chrles Vigne hergestellt. Die Darstellung vereint Vorlagen von Antoine Watteau und Nicolas Lancret für die beiden Figurengruppen im Vordergrund: Das Paar links entstammt der von Simon Thomassin 1725 gestochenen Komposition Watteaus "Der galante Harlekin" (s. Evers, 2021, S. 239, Abb. 4), die vier aufgeregt agierenden Komödienfiguren rechts sind dem Stich "Tirsis’ gestohlener Kuss" (»D’un baiser que Tirsis«) von Suzanne Elisabeth Silvestre nach Lancret entnommen. Hinter der Balustrade steht überdies ein Pierrot, der das linke Paar beobachtet. Er hat den Fröstelnden zum Vorbild – eine Figur aus dem von Edme François Gersaint und Louis Surugue gemeinschaftlich verlegten Stich von Jean Moyreau (s. Evers, 2021, S. 239, Abb. 5) nach einem von Watteau gestalteten Wandpaneel für den Speisesaal des Hôtel de Nointel in Paris. Die Haltung der Figuren und ihre Gruppierungen in der Tapisserie sind nahezu detailgetreue Kopien aus der jeweiligen Motivvorlage. Nur Einzelheiten sind im Wandteppich verändert: So fehlt dem Liebhaber links beispielsweise die für diese Harlekinfigur charakteristische schwarze Halbmaske.

In allen Tapisserien der Serie "Italienische Komödie" agieren die aus der französischen Malerei übernommenen Figuren der Commedia dell’arte auf einer Bühne. Die Kulisse bildet jeweils ein architektonisch-formaler Barockgarten mit Broderieparterres, Bosketten, Orangenbäumen, Pavillons und Treillagen, der durch eine Balustrade von der Bühne im Vordergrund des Bildes abgegrenzt ist. Hier treten die Komödianten auf einem gewürfelten Fliesenboden und umrahmt von einer Bogenstellung mit herabhängenden Blumengirlanden auf.

Welcher Künstler die Stiche nach Antoine Watteau, Nicolas Lancret oder Jean-Baptiste Pater jeweils in eine Vorlage für die Tapisserie-Wirker, den sogenannten Karton, umwandelte, ist nicht belegt. Möglicherweise könnte Antoine Pesne die Kartons für die ganze Serie angefertigt haben, weil in schriftlichen Quellen Wandteppichentwürfe ähnlichen Themas von Pesne für den Würzburger Fürstbischof Friedrich Carl von Schönborn erwähnt sind (abgedruckt bei Heinrich Göbel: Wandteppiche, Teil 3, Die germanischen und slawischen Länder, Band 1, Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert). Leipzig 1933, S. 306). Stilistische Gründe sprechen jedoch dagegen. Pesne hätte vermutlich die französischen Vorbilder in eigene Bilderfindungen umgewandelt.

Die Folge wurde erst 1762 aus den Beständen der damals im Niedergang begriffenen Manufaktur Vigne für das Schloss Charlottenburg erworben. Die Plünderungen des Schlosses durch russische und österreichische Truppen im Oktober 1760 hatten zum Verlust der ehemals französischen Tapisserien in den beiden Vorzimmern der Paradekammern Friedrichs I. geführt. Durch den Ankauf vorhandener Bildteppiche aus Vignes Lagerbeständen ermöglichte man eine schnelle Wiederherstellung der Räume in Charlottenburg mit Tapisserien. Damit behielt man die Art der Wandverkleidung bei, die hier seit dem frühen 18. Jahrhundert unter Friedrich I. tradiert war, obwohl sie schon lange unmodern geworden war. Dass aus dem Angebot der Vigneschen Manufaktur ausgerechnet die Folge „Italienische Komödie“ ausgewählt wurde, könnte ganz pragmatisch an der passenden Größe für die Räume gelegen haben. Möglich wäre aber auch, dass die Übereinstimmung der in den Tapisserien dargestellten formalen Gärten mit dem realen Schlosspark direkt vor den Fenstern der Paradekammern in Charlottenburg für die Auswahl entscheidend war.

Die Tapisserie "Galante Szene mit verliebten Paaren auf einer Bank mit Blumenvase" hängt seit 1762 in der Zweiten Hautelisse-Kammer (Zweites Vorzimmer, R.102) der Paradekammern im Mittelbau des Schlosses Charlottenburg (Altes Schloss). Von den sieben Stücken der Serie in den Beständen der SPSG werden sechs in der Ersten und Zweiten Hautelisse-Kammer gezeigt.

Susanne Evers (2021)

Material/Technik

Wolle und Seide, gewirkt (Hautelisse)

Maße

Hauptmaß: Höhe: 350.00 cm Breite: 510.00 cm

Literatur

  • Dacier, Émile / Vuaflart, AlbertJean de Jullienne et les graveurs de Watteau au XVIIIe siècle, Paris 1921 - 1929, 1921, Nr. 84, Tafel 84.
  • Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin. Schloss Charlottenburgbearb. v. Margarete Kühn, 2 Bde., Berlin 1970. , S. 37-38, Abb. 35
  • Evers, SusanneTapisserien mit "Watteau'schen Figuren" aus der Berliner Manufaktur Charles Vigne, in: Antoine Watteau. Kunst - Markt - Gewerbe, hrsg. v. Franziska Windt / Eva Wollschläger, Ausstellung, Potsdam, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 2021 / 2022, München 2021. , S. 234-249, Abb. 3
  • Göbel, HeinrichWandteppiche, Teil 3, Die Germanischen und slawischen Länder, Bd. 2, West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden, Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen, Leipzig 1934. , S. 85-90 und 292, Tafel 62a
  • Heinz, DoraEuropäische Tapisseriekunst des 17. und 18. Jahrhunderts. Die Geschichte ihrer Produktionsstätten und ihrer künstlerischen Zielsetzungen, Wien 1995. , S. 325
  • Huth, HansZur Geschichte der Berliner Wirkteppiche, in: Jahrbuch der preußischen Kunstsammlungen, Bd. 56, Berlin 1935, Berlin 1935, S.80-99, S.93-99.
  • Rumpf, Johann Daniel FriedrichBeschreibung der aeussern und innern Merkwürdigkeiten der Königlichen Schlösser in Berlin, Charlottenburg, Schönhausen, in und bey Potsdam. Ein Handbuch für Fremde und Einheimische, Berlin 1794. , S. 253
  • Schmitz, HermannBildteppiche. Geschichte der Gobelinwirkerei, Berlin [1919]. , S. 168
  • Seidel, PaulDie Herstellung von Wandteppichen in Berlin, in: Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen, Bd. 12, Berlin 1891, S. 137-155, 193-206, S. 195-206.
  • Wildenstein, GeorgesLancret. Biographie et catalogue critiques. L' oeuvre de l' artiste reproduite en 214 héliogravures, Paris 1924, (L'art français). , S. 91, Nr. 300, Abb. 83
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Objekt aus: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

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