Vom reichen Silberschatz, der sich laut der umfangreichen Inventarlisten bereits zur Zeit des Kurfürsten Friedrich Wilhelm in den brandenburgisch-preußischen Schlössern befanden, sind nur Einzelstücke erhalten. Humpen waren eine Eigenart des nördlichen biertrinkenden Europas, während im Süden eher Pokale für Wein verbreitet waren. Silberhumpen mit eingelassenen Münzen und Medaillen erfreuten sich in Brandenburg-Preußen besonderer Beliebtheit. Statt den Münzschatz wegzuschließen ließ sich dieser an den getriebenen Silbergefäßen ohne Wertverlust zur Schau stellen. Im höfischen Zeremoniell wurden Münzhumpen dem Herrscher als sogenanntes „Willkomm“ gereicht.
Der gestreckt zylindrische Gefäßkörper dieses Münzhumpens und Gliederungselemente wie der gewölbte Fuß, der blanke Schaftring und der gestufte Deckel erinnern formal an den bereits im späten 16. Jahrhundert in Norddeutschland ausgebildeten Typ der sogenannten „Hansekannen“. Abweichend von dem in Exemplaren bedeutender Hamburger und Lübecker Goldschmiede bekannten Hansekannenmodell, für das eine differenzierte Verteilung und Ausbildung der Schmuckelemente charakteristisch ist, sind beim hier vorgestellten Humpen nahezu alle Flächen, selbst der hohl getriebene c-förmige Griff, mit Münzen und Medaillen bedeckt. Das gravierte Ornament füllt die Zwischenräume. Ausgehend von stilisierten Masken mit weit geöffneten Mündern am oberen Rand überzieht ein dichtes tropfenförmiges Muster mit Kreuzblüten zwischen den Geprägen die Gefäßwandung. Die ornamentale Rahmung lässt die Münzen und Medaillen in wirkungsvoller Absicht optisch noch größer erscheinen.
Insgesamt sind 144 silberne Münzen und 18 silberne Medaillen in die Flächen des Humpens eingepasst. Keine Prägung wiederholt sich. Neben Münzen auf die römisch-deutschen Kaiser Ferdinand I., Rudolph II. und Ferdinand II. sowie den Erzherzog Ferdinand II. ist ein großer Anteil an sächsischen Münzen, verschiedener deutscher Städte und Länder wie Braunschweig-Wolfenbüttel, Brandenburg-Franken, Hessen-Kassel, Lüneburg-Celle, Pfalz-Kurpfalz, Pommern, Waldeck und Württemberg vertreten. Auf der Deckelmitte, wie ein Mahnmal für den Dreißigjährigen Krieg, befindet sich die größte Medaille Kaiser Ferdinands III. auf den Nürnberger Frieden von 1649. In der Bodenmitte erblickt man das Bildnis des brandenburgischen Kurfürsten von der etwa zeitgleich als Donativ gefertigten großen Medaille von Johann Höhn d. Ä. (1607-1664). Auf der Vorderseite des Humpens fallen neben weiteren Medaillen die auf den Westfälischen Frieden Bezug nehmen, eine holländische Medaille auf den Bund der Generalstaaten 1650, ein Medaillon auf den Sieg über die Kosaken und die Einnahme von Kiew von 1651, eine Medaille auf die Grundsteinlegung der evangelischen Dreifaltigkeitskirche in Regensburg von 1627 und ein ovales Medaillon von Sebastian Dadler (1586-1657) auf die Thronbesteigung Friedrichs III. von Dänemark auf.
Drei in der unteren Mitte eingelassene, vom Berliner Medailleur Thomas Reuss geprägte Medaillen beziehen sich direkt auf Kurfürst Friedrich Wilhelm: die erste auf seine Vermählung mit Louise Henriette von Oranien 1646, die zweite auf seine Rückkehr vom Besuch in Prag 1652, die dritte auf die Geburt des Kurprinzen und den gleichzeitigen 35. Geburtstag des Kurfürsten 1655. Letztere stellt das jüngste Gepräge dar, womit der Humpen datiert, der Anlass der Anfertigung, die Geburt des ersehnten Kurprinzen Karl Emil am 16. Februar 1655, bestimmt werden kann. Die bewusst mittig platzierte Medaille stellt auch die Verbindung zur herzförmigen Daumenrast des Humpens her - in der Münzikonographie des 17. Jahrhunderts ist das Herz ein verbreitetes Symbol für Hochzeits- und Geburtsmedaillen. Im genealogisch-dynastischen Kontext lässt sich auch die ungewöhnliche Henkelform aus zwei unterschiedlich großen, gegenläufig aneinandergesetzten C-Schwüngen, nach der alten Schreibweise der Titel für „Churfürst“ und „Churprinz“, interpretieren.
Der Münzhumpen ist eines der frühesten bisher für Berlin nachweisbaren markanten Beispiele dieser Art aus den brandenburgisch-preußischen Schlössern. Im Silberinventar des Berliner Schlosses von 1715 ist er auf dem „zweiten Buffet im Tafelgemach König Friedrichs I. No.4“ unter Position 27 erfasst als „eine große silberne Kanne mit Thlrn. und andern Schaustücken besetzet, inwendig vergoldet, auf dem Deckel ein Knopf in Form eines Herzens“ („Manuell des Königlichen Silbers“ von 1715, SPSG, Hist. Inventare Nr. 27, vgl. Seidel 1896, S. 16). Sein erster Einsatz als Willkomm und Schaustück erfolgte vermutlich bereits sechzig Jahre zuvor bei der Einweihung von Schloss Oranienburg, die zu einer Feier der Geburt des Kurprinzen wurde. Dank großzügigster Unterstützung der Deutschen Bank konnte der Münzhumpen 2011 für die dauerhafte Ausstellung im Silbergewölbe von Schloss Oranienburg zurückerworben werden.
Claudia Meckel
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