Von den beiden 1849 ursprünglich an den Schmalseiten der Bibliothek von Schloss Babelsberg in Potsdam aufgestellten Bänken hat sich nur das hier vorgestellte Exemplar erhalten. Sie sind von dem Architekten Johann Heinrich Strack als Einheit mit dem großen Bibliotheksschrank entworfen. An Stelle des heutigen Weißbezuges waren sie mit einem auffälligen broschierten Lampas mit blauen und goldtonigen Ornamenten auf rotbraunem Grund bezogen, der ähnlich bereits 1842 für das Wohnzimmer der Königin Elisabeth auf Burg Stolzenfels Verwendung gefunden hatte. Hergestellt hatte den "Brocatelle broché" für Stolzenfels die Firma der Gebrüder Gabain in Berlin, die daher auch die Lieferanten für Babelsberg gewesen sein könnten. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Polsterbank wie die übrigen Möbel des Schlosses nach Entwürfen Stracks von einer Berliner Tischlerwerkstatt hergestellt worden sind. Die beiden Sitzmöbel gehören zu jenen neogotischen Möbeln aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die strukturell völlig frei von historischen Stilvorbildern eine originelle und autonome Gestalt entwickelt haben. Strack verzichtet auf kleinteilige, bruchanfällige Schnitzereien im Nutzbereich der Bank, die häufig die zeitgenössische Kritik an der Neogotik im profanen Möbelbau herausforderten. Vielmehr setzt er auf eine kompakte, zugleich aber bewegte Gestalt. So wirken die Armlehnen zwar monumental, doch ihre fein abgestimmte Ornamentik und die dynamischen Schwünge verleihen der Bank eine ästhetische Qualität, wie sie nur wenige Möbel dieser Art aufweisen.
Jörg Meiner / Henriette Graf
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