Die Stickerei zählt zu den frühesten erhaltenen, vom preußischen Könighaus in Auftrag gegebenen Goldstickerarbeiten. Sie war bestimmt als Rückwandbespannung für die Sänfte der Königin Sophie Luise, geborene Prinzessin von Mecklenburg-Grabow (1685-1735), der dritten Gemahlin des preußischen Königs Friedrich I. Das gesamte Bildprogramm der Sänfte einschließlich der Reliefstickerei war auf die Besitzerin ausgelegt. Das Monogramm der Königin "SLR" und ihres Gemahls "FR" erscheint auf den Beschlägen, die Paneele zeigen das gemalte Allianzwappen mit den Wappentieren Preußens und Mecklenburgs. Vermutlich wurde die Sänfte anlässlich der Vermählung in Berlin am 28. November 1708 für die junge Königin angefertigt. Spätestens im 17. Jahrhundert blieben Sänften im höfischen Zeremoniell nur noch den Damen vorbehalten. Sie waren - wie die Karossen - ein wichtiger Exponent höfischer Kunst. Ihre äußere Erscheinung und Ausstattung hatte repräsentativen Charakter. Die Sänfte der Königin Sophie Luise sollte in altertümlicher Art - als Zeichen des Anspruchs und der Prunkentfaltung des jungen Königtums- eine kostbare textile Rückwand erhalten. In ihrem ursprünglichen Zustand müssen die gold- und silberglänzenden Stickereien einen prächtigen Eindruck hinterlassen haben. Die rote Farbe des Grundes, traditionell die Farbe der Könige, scheint hier noch in einem anderen Zusammenhang bewusst gewählt worden zu sein. Das vorbildliche französische Hofzeremoniell bestimmte außer in Zeiten der Hoftrauer eine rote Samtbespannung vornehmlich für dei Karossen der Prinzessinnen. Nicht nur heraldisch auch stillistisch lässt sich die Stickerei, deren Konzeption und Ornamentik mit den dekorativen Malereien der Sänftenpaneele korrespondiert, dem beginnenden 18. Jahrhundert zuordnen. Proportionierung und Symmetrie entsprechen barockem Formempfinden. Als Anregung sowohl für Einzelmotive als auch für die dekorativen Flächenfüllungen der Bespannungen und Paneele dienten Ornamentstiche, hier vor allem die Entwürfe Jean Bérains (1637-1711). Die Komposition der Reliefstickerei mit Eckkartuschen und einem zentralen Mittelfeld findet in gleichzeitigen Deckenkompositionen der preußischen Schlösser Berlin und Charlottenburg eine Entsprechung. Rechnungen belegen, dass häufig dieselben Hofkünstler - Dekorationsmaler, Bildschnitzer, Goldsticker - für die Gestaltung der Räume und der Karossen und Sänften verpflichtet wurden. Wer die Stickerei der Sänftenrückwand ausführte, ist nicht nachweisbar. Es lässt sich aber annehmen, dass sie in Berlin gearbeitet wurde, wo sich das Kunsthandwerk der Goldstickerei im Zuge der Einwanderung der Hugenotten bereits etabliert hatte. Die Kolonieliste von 1700 weist für Berlin drei französiche Meister aus. Besondere höfische Privilegien hatte sich hier der Brodeur Elie Pailly erworben, dessen Name wiederholt in späteren Rechnungen über Sänften des preußischen Königshauses genannt wird. Es gibt kaum noch Gegenstände, die an dei preußische Königin Sophie Luise erinnern. 1713 war die erkrankte Königin an den Hof ihrer Mutter nach Grabow zurückgekehrt. Die Sänfte hat in Berlin die Zeiten überdauert. 1999 konnte sie restauriert und die Reliefstickerei wieder an ihren ursprünglichen Platz montiert werden.
Uta-Christiane Bergemann
de