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Museum Eberswalde Uhrensammlung [V 214 E]
Louis George, Bodenstanduhr, ehemals mit Flötenwerk, um 1780, Inv. Nr. V 214 E (Museum Eberswalde CC BY)
Herkunft/Rechte: Museum Eberswalde / Oliver Ziebe, Berlin (2020) (CC BY)
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Louis George, Bodenstanduhr, ehemals mit Flötenwerk, um 1780, Inv. Nr. V 214 E

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Beschreibung

Die monumentale Uhr stammt aus dem Schloss Lichterfelde (heute Ortsteil der Gemeinde Schorfheide im Landkreis Barnim), vermutlich aus dem Weißen Saal. Das Gehäuse hat einen dreiteiligen Aufbau aus Sockel, Pendelkasten und Uhrenkopf mit bekrönendem Aufsatz. Der niedrige Sockel steht auf Volutenfüßen, ein Tuchgehänge ziert die Vorderseite. Darüber setzt der bauchige, nach oben gerade endende Pendelkasten mit geschnitzten und vergoldeten figürlichen und dekorativen Elementen auf, unten verziert mit Akanthusblättern, auf der vorderen Tür: unter dem Pendelfenster Reliefdarstellung einer Apollbüste nach antikem Vorbild vor einem Strahlenkranz, darüber das verglaste Pendelfenster in Form einer stilisierten Lyra, begleitet von an einer Schleife aufgehängten Blattgirlanden. Unter den übereck gestellten Gesimskonsolen ursprünglich zwei Puttenköpfchen, von denen nur das rechte erhalten ist, sowie Voluten und weitere Blattgirlanden. Die Dekoration der Seiten besteht aus Trophäengehängen mit Holzblasinstrumenten. Zur Aufnahme des sehr großen runden Uhrenkopfes ist die obere Gesimsplatte des Pendelkastens konkav eingezogen. Die Rahmung des vorn verglasten Kopfes bilden Lorbeerkränze, seitlich befinden sich mit Seidenbespannungen versehene Schalllöcher mit Strahlenkranzdekoration, die ursprünglich wohl als Klappen (vgl. Flötenuhr von Louis George, Coburg, Schloss Callenberg), jetzt als Türen ausgebildet sind. Typisch für die frühere Funktion als Musikuhr ist der kastenförmige und über den Uhrenkopf hinausragende Aufbau auf der Rückseite (zur Aufnahme des Flötenwerks), dessen horizontal gerader Abschluss vorn von einem bekrönenden Arrangement aus Büchern, Globus, Spiegel und Instrumenten gebildet wird. (Silke Kiesant)

Beschriftung/Aufschrift

auf dem Zifferblatt: LOUIS GEORGE HORLOGER DU ROY A BERLIN

Vergleichsobjekte

Kammergericht Berlin, Bodenstanduhr ohne Musikwerk
Meininger Museen, Elisabethenburg, Inv. Nr. II 1908 U1, Louis George, Bodenstanduhr mit Flötenwerk, um 1790
Schloss Callenberg, Coburg, Bodenstanduhr mit Flötenwerk
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Inv. Nr. V 3, Louis George, Konsoluhr mit Flötenwerk, 1770, Inv. Nr. V 3

Material/Technik

Konstruktionsholz: Kiefer, weiß gefasst; Applikationen: Linde, Eiche, geschnitzt, blattversilbert, goldlacküberzogen; Schalllöcher-Bespannung: Seide und Papier; Schmiedeeisen, Messing; Glas; Trägerplatte Zifferblatt: Messing; Email

Maße

Höhe 360 cm, Breite 98 cm, Tiefe 75 cm; Uhrenkopf: Höhe 95 cm, Breite 77 cm, Tiefe 63 cm

Ausführliche Beschreibung

Die gesamte Mechanik von Uhr- und Spielwerk ist vollständig ausgebaut und verloren, einzig das Zifferblatt hat sich erhalten. Es handelt sich um ein Trieze-pièces-Zifferblatt: in der Mitte Email-Scheibe mit kleinen schwarzen arabischen Datumsziffern, der Signatur des Berliner Hofuhrmachers Louis George sowie drei Aufzugslöchern. Rundherum zwölf trapezförmige Kartuschen mit großen schwarzen römischen Stundenziffern, außen arabische Fünfminutenziffern, dazwischen eine Minuterie aus Strichen. Die Zeiger gingen verloren.
Ein historisches Foto zeigt die Uhr im Schloss Lichterfelde in einem Raum mit Gewölbe. Seit 1760 war das Rittergut in der Schorfheide im Besitz von David Splitgerber jun. (1741-1826), dem Sohn des Berliner Bankiers und Kaufmanns David Splitgerber (1683-1764), einer der Teilhaber des mächtigen Handelshauses Splitgerber und Daum, u.a. Pächter des Messingwerks im benachbarten Finow. 1772 ernannte Prinz Ferdinand von Preußen Splitgerber jun. zu seinem Jägermeister. Später wurde dieser Ritter des Johanniterordens, Senior des Kollegiatstift Sankt Gangolph in Magdeburg und Kanonikus im Domkapitel des Bistums Cammin. Schließlich erhob ihn König Friedrich Wilhelm II. am 24. Januar 1789 in den erblichen preußischen Adelsstand. In Lichterfelde ließ Splitgerber den Park anlegen, und es ist anzunehmen, dass er auch die Einrichtung des im 16. Jahrhundert erbauten Schlosses modernisierte. Die Uhr, die ursprünglich mit einem Flötenwerk ausgestattet gewesen sein muss, schaffte Splitgerber sicher zum Zweck seiner beabsichtigten Prachtentfaltung in Lichterfelde an. Die Gehäusegestaltung ähnelt vielen, zu dieser Zeit hergestellten Berliner Musikuhren: Die Dekoration vereinigt stilistisch Elemente des friderizianischen Rokokos mit neuen Tendenzen des Klassizismus – eine „Zopfstil“ genannte Mischung. Die extreme Höhe von 3,60 Meter stellt jedoch eine Besonderheit dar. Sollte es eine eigene Anfertigung des Berliner Uhrmachers Louis George für Lichterfelde gewesen sein, so erklären sich diese raumgreifenden Maße, da die Uhr perfekt in eine der Gewölbenischen im Weißen Saal passte. Am verwendeten Zierrat, Apoll-Büste, Bücher, Globus und Musikinstrumente, ist nicht nur der künstlerische und Bildungsanspruch des Erwerbers abzulesen, sondern auch die Funktion der Uhr als mechanisches Musikinstrument.
Louis George (1743-1812) entstammte vermutlich einer um 1690 nach Berlin gekommenen Hugenottenfamilie. 1769 verlieh ihm Friedrich II. von Preußen das Hofuhrmacher-Privileg, nachdem er eine Probe seines Könnens, nämlich „3 Singeuhren“ (also Uhren mit Musikwerken) dem König präsentiert hatte. George etablierte seine Werkstatt am Schlossplatz in Berlin, also in unmittelbarer Nähe zur Hauptresidenz der Hohenzollern. Er belieferte den König auch mit eigenen Werken, darunter einer -Flötenuhr (siehe Weblink) für die Neuen Kammern in Sanssouci. Für das Kammergericht in Berlin schuf er eine ebenfalls große und repräsentative Bodenstanduhr, deren Gehäuse stilistisch und von der kunsthandwerklichen Bearbeitung (weiße Fassung mit holzgeschnitzten vergoldeten Dekorationen) der Splitgerberschen sehr ähnelt. Auch seine Bodenstanduhr mit Flötenwerk auf Schloss Callenberg entspricht diesem Typus, wie auch das Gehäuse einer heute verlorenen Flötenuhr, allerdings von dem Berliner Uhrmacher Carl Ludwig Elffroth (ehemals Märkisches Museum Berlin, Kriegsverlust).
Die äußerst vermögende Familie Splitgerber stand dem preußischen Herrscherhaus sehr nahe. Daher lässt sich vermuten, dass die Uhr des königlichen Hofuhrmachers George auch ins entfernte Schloss Lichterfelde den Glanz des höfischen Berliner Lebens bringen sollte, auch wenn die ins Monumentale gesteigerte Ausführung mit den etwas grob wirkenden Applikationen – nicht in feuervergoldeter Bronze, sondern in preiswertem Holz ausgeführt – eher zur ländlichen Umgebung passt.
Nach Aussagen von dort einquartierten Flüchtlingen stand die Uhr noch bis nach 1945 im Schloss Lichterfelde. 1949 kam sie mit einer Schlossbergungsaktion nach Bad Freienwalde, bevor sie 1955 an das Museum Eberswalde abgegeben worden ist. Seitdem steht sie dort im Depot. Das Museum beabsichtigt eine Restaurierung des Gehäuses und danach eine museale Präsentation. (Silke Kiesant)

Literatur

  • Barnick, Johannes (2001): Ein schweigsamer Ahn. Leben und Geheimnis des Jägermeisters David von Splitgerber. Hrsg. von Ursula Gerschewski. Berlin, München
  • Bester, Dietrich (2017): Das Erscheinungsbild des Schlosses Lichterfelde im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte. In: Eberswalder Jahrbuch für Heimat-, Kultur- und Naturgeschichte 25 (2017), S. 50-59
  • Chapuis, Alfred (1938): Le Grand Frederic et ses horlogers. Une émigration d’horloges suisses au XVIIIme siècles. Un demi-siècle d’horlogerie berlinoise (1760-1810). Lausanne
  • Fischer, N.N. (1760): Einfuhrgesuch von Messing des Hofuhrmachers Fischer zu Potsdam 1760. In: Brandenburgisches Landeshauptarchiv: Rep. 2 Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer, Nr. S 6456: Königl. Geh. Staats-Archiv. Acta der Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer
  • Roller, Eberhard (2017): Eine höfische Standuhr aus Schloss Lichterfelde. In: Eberswalder Jahrbuch für Heimat-, Kultur- und Naturgeschichte 25 (2017). S. 60-64
  • Schneider, Katja (2018/2019): Eine Flötenuhr aus dem Schloss Lichterfelde. Kunsthistorische Einordnung der Bodenstanduhr und technologische Untersuchung der Beschichtung im Hinblick auf Alterungserscheinung und frühere Überarbeitungsphasen. Bachelorarbeit, Studiengang Konservierung/Restaurierung Holz. Fachhochschule Potsdam, Wintersemester 2018/19
Karte
Hergestellt Hergestellt
1780
George, Louis (Uhrmacher)
Berlin
Besessen Besessen
1780
David von Splitgerber
Lichterfelde (Barnim)
Besessen Besessen
1955
Museum Eberswalde
Eberswalde
1779 1957
Museum Eberswalde

Objekt aus: Museum Eberswalde

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