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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Uhren und Musikinstrumente [V 48]
Möllinger, Christian: Astronomische Bodenstanduhr mit Flötenwerk, 1791, V 48. (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg CC BY)
Herkunft/Rechte: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg / Ziebe, Oliver (Berlin, 2020) (CC BY)
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Christian Möllinger, Astronomische Bodenstanduhr mit Flötenwerk, 1791, Inv. Nr. V 48

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Beschreibung

Der auf querrechteckigem Grundriss basierende Uhrkasten wird von vier übereck liegenden Sphingen, die wiederum auf einer ausgeschnittenen Bodenplatte montiert sind, getragen. Das Gehäuse gliedert sich in Postament, Mittelteil und Kopf. Diese sind durch profilierte und vergoldete Gesimse voneinander getrennt. Das Postament wird an den Schauseiten durch querrechteckige, perlstabgerahmte Felder mit Spiralranken geschmückt. Beim Mittelteil sind die Seitenfüllungen zu etwa Dreiviertel verglast, so dass das von Möllinger signierte Flötenwerk sichtbar ist. Die beiden vorderen abgeschrägten Kanten ziert jeweils ein senkrechter Fries mit einem Ornament, das einem gespiegelten Bassschlüssel ähnelt. Nach oben hin markiert je ein Widderkopf den Abschluss. Hinter deren Hörnern verläuft eine große Girlande aus Blüten, Ähren und Früchten, die das große astronomische Zifferblatt mit zahlreichen Anzeigen umgibt. Darunter liegt ein reich dekoriertes Feld: An einem mit einer Rosette befestigten Schleifenband hängen Musik- und technische Instrumente, eine Flöte kreuzt ein aufgeschlagenes Notenheft, darüber befinden sich eine mechanische Welle mit zwei Zahnkränzen sowie Winkelmaß und Zirkel. Ein gewundener Lorbeerzweig umspielt dieses Arrangement, während es nach unten von einem Lorbeerkranz abgeschlossen wird. Der von einer Armillarsphäre (Gerät zum Darstellen von Himmelskörper-Bewegungen) bekrönte Uhrenkopf nimmt das Geh- und Schlagwerk mit dem Emailzifferblatt auf. Die ursprünglich vorhandenen leuchtertragenden Sirenen seitlich des nahezu würfelförmigen Uhrenkopfs sind seit 1945 verloren. In den unteren Zwickeln sitzen – als vergoldete Reliefs ausgebildet – rechts und links zwei an einen Baumstamm gelehnte Putten, der linke spielend, der rechte schlafend. Die mit vergoldeten Ornamenten versehenen Seitenfüllungen sind als Türen ausgebildet.
Der Entwurf für das repräsentative und programmatisch anspruchsvolle Gehäuse wird Carl Ludwig Bauer zugeschrieben, von dem wohl auch die Pläne für das Konzert- und das Thronzimmer der Königskammern für Friedrich Wilhelm II. von Preußen im Berliner Schloss stammen. Dekorative Details am Uhrenkasten finden sich in den Zimmerinterieurs der 1787/88 umgestalteten königlichen Zeremonialwohnung wieder. So ist davon auszugehen, dass dieses komplexe Kunstwerk eigens für die Königskammern beauftragt wurde. Bauer betätigte sich übrigens auch auf dem Gebiet des Musikinstrumentenbaus und konstruierte die Mechanik für verschiedene Musikuhren, wie das Flötenwerk für die Bodenstanduhr in der Wohnung König Friedrichs II. im Neuen Palais (vgl. SPSG, Inv. Nr. V 1). Ebenso wie Bauer stand auch Johann Gottlob Fiedler in engem Kontakt zu Friedrich Wilhelm II. Fiedler führte an der hier vorgestellten Uhr die Kunsttischlerarbeiten aus, ein Holzbildhauer namens Bartels die hölzernen Figuren und Ornamente. In einem Brief des Oberhofuhrmachers Christian Möllinger an den Geheimkämmerer des Königs, Friedrich Wilhelm Ritz, vom 30. Juli 1791 schrieb Möllinger, dass er ein neues Uhrwerk „zustande bekommen werde, welches sowohl in ansehung der Kunst als auch in der überaus reiche(n) und geschmackvolle(n) Verziehrung des Gehäuses dem Modernen Königlichen Thron Zimmer vollkommen angemeßen ist. Ich wünschte die gnädigste Aceptation dieses stücks und die erlaubniß es im Thron Zimmer aufsetzen zu dürfen (…).“ Höchstwahrscheinlich handelt es sich um die 1791 datierte und von Möllinger signierte Uhr. Sie stand jedoch nie im Thronsaal, sondern zunächst in der Blauen, später in der Grünen Französischen Kammer des Berliner Schlosses und heute im Marmorpalais in Potsdam. Die Initiative für den Aufstellungsort ging in diesem Fall interessanterweise von Möllinger selbst aus. In Frage kommen aber auch Ritz selbst oder vielmehr seine Frau Wilhelmine. Die frühere Geliebte Friedrich Wilhelms II. wurde später vom König geadelt. Als Gräfin Lichtenau kümmerte sie sich nachweislich um eine Vielzahl von Einrichtungsgegenständen für die königlichen Wohnräume und könnte auch die Verbindung zwischen Carl Ludwig Bauer und Christian Möllinger gewesen sein.
Besonders auffällig am Äußeren der Uhr sind die Darstellungen von Sphingen und Widderköpfen. Das Fabelwesen Sphinx steht für die Ewigkeit, Unsterblichkeit und das Rätselhafte. Dies kann nicht nur symbolhaft auf ein Zeitmessgerät bezogen werden, sondern als deren Emblem auch auf den mystischen Geheimbund der Rosenkreuzer, dem Friedrich Wilhelm II. angehörte. Das antike Motiv des Widderkopfes als Girlandenträger findet sich häufig als Eckdekoration. Es symbolisiert kriegerische Stärke, während das ursprünglich sakrale Motiv der Girlande als Zeichen für Fülle und Pietas dient. An der Uhr verweisen die Widderköpfe somit auf die Herrschertugenden, wie Stärke, Mildtätigkeit bzw. Frömmigkeit. Schließlich zieren auch Notenbuch und Flöte sowie Zirkel, Winkelmaß und Zahnrad das Gehäuse: Die Uhr vereint hier bildhaft die auf wissenschaftlichen Berechnungen fußende mechanische Meisterleistung des astronomischen Uhrwerks mit dem damit in Verbindung stehenden Flötenwerk. Zum jeweils exakt errechneten Zeitpunkt des Sonnaufgangs erklingt die Morgenmelodie „Die helle, sternenvolle Nacht“ und zum Sonnenuntergang die Abendmelodie „In den kühlen Abendlüften“ (vgl. Tonaufnahmen). Beide Stücke stammen aus „Abraham auf Moria. Ein religiöses Drama für die Musik“ aus dem Jahr 1785. Das Libretto schrieb August Hermann Niemeyer, die Musik der königliche Kammermusikus Johann Heinrich Rolle. (Silke Kiesant)

Beschriftung/Aufschrift

auf dem Emailzifferblatt: „Möllinger IN BERLIN“; auf der Vorderplatine des Spielwerks: „Möllinger / Berlin / 1791“

Vergleichsobjekte

Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv. Nr. II 61/151J, Bodenstanduhr mit Flötenwerk
Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv. Nr. SM 2011-0798, Bodenstanduhr mit Flötenwerk

Material/Technik

Rückwand neu: Kiefer, innen furniert Zeder, außen furniert Mahagoni; grüne Seide an den Schallöffnungen; Verzierungen: Holz, geschnitzt und polimentvergoldet, auf der Rückseite der beiden hinteren Sphingen Mahagoni, furniert; Glas; Stahl; Messing, z. T. bemalt; Email, Werk- und Walzenstuhl: Eiche; originale Pfeifen: Kirschholz, erneuerte Pfeifen: Ahorn; Leder

Maße

Höhe 322 cm, Breite 115,5 cm, Tiefe 62,5 cm

Ausführliche Beschreibung

Die Uhr besitzt ein Geh- und Schlagwerk, ein astronomisches Werk sowie ein Flötenwerk.
1. Das Geh- und Schlagwerk: Das rechteckige Vollplatinenwerk aus Messing (H: 23,4 cm; B: 24,5 cm; Werkpfeilerhöhe: 10,2 cm; Platinenstärke: 0,7 cm) mit profilierten Werkpfeilern ist im Uhrenkopf untergebracht. Es besitzt Grahamhemmung, Hohltrieb (Laternentrieb), Sekundenkompensationsrostpendel und Pendelfederaufhängung. Außerdem ist es mit einer Grande Sonnerie ausgestattet: Die Uhr schlägt in jeder Viertelstunde zunächst die vergangenen Viertelstunden auf der kleinen Glocke und anschließend auf der großen Glocke die Schläge der nächsten vollen Stunde. Nachts schaltet sich das Schlagwerk von 9 Uhr abends bis 5 Uhr morgens automatisch ab. Die beiden Glocken befinden sich oberhalb des Gehwerks und stehen sich jeweils mit der offenen Seite gegenüber, eine an der Vorder-, die andere an der Rückplatine befestigt.
Das weiß emaillierte, von einem Perlstab eingefasste Zifferblatt in Schüsselform (D: 26,5 cm) zeigt schwarze römische Stunden- und arabische Fünfminutenziffern, eine Minuterie mit Strichen (verstärkt bei den Fünfminuten), barocke, kunstvoll ausgesägte vergoldete Messingzeiger und einen langen glatten Sekundenzeiger mit Mondsichel als Gegengewicht zum Pfeil aus gebläutem Stahl. Am äußeren Rand des Minutenkreises befindet sich ein kleiner Zeiger für die Äquation (Unterschied zwischen der wahren Sonnenzeit und der mittleren Zeit). Unterhalb des Emailzifferblatts liegen die beiden Aufzugslöcher bei 25 und 35. Nur bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass sich unter dem Emailzifferblatt ein davon größtenteils verdeckter silberner Ziffernreif mit Stunden- und Minuteneinteilung und einem größerem Durchmesser befindet. Möglicherweise wurde das Gehwerk hier zweitverwendet und angepasst, besaß ursprünglich ein anderes Zifferblatt, über das man später das aus Email gefertigte, modernere Zifferblatt setzte.
Zur Mechanik gehören zwei quaderförmige Blei-Gewichte, die über Rollen an der Gehäuserückwand laufen, rechts für das Geh- und Schlagwerk, links für das Spielwerk. Die ursprüngliche Verbindung zwischen Uhr- und astronomischem Räderwerk, das sich hinter dem großen astronomischen Zifferblatt befindet, ist nicht mehr vorhanden.
2. Das astronomische Werk: Sein von einem Perlstab gerahmtes Zifferblatt mit gemaltem Tag- und Nachthimmel ist durch einen darunter liegenden Ausschnitt für die Monats- und Datumsanzeige ergänzt worden (D: 47 cm; H: 51,5 cm mit Datumsanzeige; Tages- und Monatsangabe: D: 58 cm). Auf der mittleren Platte mit der Himmels- und Sternenmalerei, die sich in 24 Stunden einmal dreht, liegen die beiden ausgeschnittenen Kreise für den Stand der Sonne und die Mondphasen. Der äußere, versilberte Ring zeigt zweimal die römischen Stundenziffern von I bis XII, auf dieser Skala weist ein Zeiger den Sonnenaufgang bzw. -untergang, zu dem jeweils die Morgen- oder Abendmelodie des Flötenwerks ertönt. Der innere versilberte Monatsring gliedert sich in zwölf Segmente mit der Tageseinteilung für jeden Monat, kombiniert mit den jeweiligen Tierkreiszeichen. Die Datumsanzeige folgt selbsttätig dem Gregorianischen Kalender und berücksichtigt dabei nicht nur die Schaltjahre: Am Ende eines jeden, nicht durch vier teilbaren Jahrhunderts tritt ein in 100 Jahren sich einmal drehendes Rad in Aktion und überschiebt den Schalttag. Ein weiteres Rad, das 400 Jahre für eine Umdrehung benötigt, sorgt für die Anzeige des Säkulartages in denjenigen Jahrhunderten, die durch vier teilbar sind.
3. Das Flötenwerk: Die Pfeifenlade befindet sich vor der Walze auf der Vorderseite des Gehäuses im Mittelteil. Die Pfeifen sind symmetrisch angeordnet, mit der tiefsten Pfeife in der Mitte. Insgesamt besteht das Flötenwerk aus 57 Holzpfeifen und ebenso vielen Claves, für die im äußeren Diskant-Bereich auf der Walze keine Notation mit Stiften vorgesehen ist. Es gibt zwei Register: ein Achtfußregister mit 34 Pfeifen (gedackt) und ein Vierfußregister mit 23 Pfeifen (ungedackt). Das Vierfußregister wird nicht – wie bei den Kleemeyer-Flötenwerken – über eine Schleiflade (diese fehlt hier) dazu geschaltet, sondern ist vermutlich auf der Walze notiert. Die Pfeifen sind mit Tonbuchstaben bezeichnet, die auf den erneuerten Pfeifen fehlen. Zusätzlich sind die entsprechenden Notenbilder auf den Pfeifen verzeichnet, die jedoch teilweise unleserlich sind. Das Flötenwerk hat einen Tonumfang von G-gis‘‘. Als Speichermedium dient eine Walze aus Messing (D: 19,5 cm; L: 50 cm) mit quadratischer Achse aus Stahl, schraubenförmig mit Stiften und Brücken besetzt. Nach dem Auslösen des Spielwerkes wird die Walze von einem schneckenförmigen Rad automatisch seitlich verschoben und dreht sich mehrfach um die eigene Achse. Die Auslösung erfolgt seitlich durch die rechte Tür. Die Verbindung zum Uhrwerk ist nicht mehr vorhanden. Die Walze befindet sich zwischen dem Pfeifenstock und dem Gewichtsaufzug. Aus dem Inventar des Berliner Schlosses von 1793 geht hervor, dass zu der Uhr ursprünglich zwei Messingwalzen und eine hölzerne Walze gehörten, jedoch hat sich nur die in der Uhr vorhandene erhalten. Sie ist auf der linken Seite beschriftet: „Morgengesang / die helle sternen / volle Nacht lag / Schweigend auf der Flur“ und „Abendgesang / In den Kühlen /Abend lüften / sanft durchweht / von Rosen düften“, „del. Sig: / Rolle“ (vgl. Tonaufnahmen).
Im Vergleich zu den anderen Berliner Uhren mit Musikwerken ist das Material Messing für die Walze hervorzuheben. Bei den bislang untersuchten Objekten bestehen diese üblicherweise aus Holz. Die innovativen Messingwalzen benutzte dagegen vor allem David Kinzing für die Spielwerke in den etwa zeitgleich entstandenen Uhren aus der Neuwieder Werkstatt von David Roentgen.
Unterhalb der Walze befindet sich rechtsseitig das Antriebswerk, ein rechteckiges Vollplatinenwerk aus Messing, auf einem Basisbrett aus Eichenholz (H: 5,2 cm; B: 63,5 cm; T: 33 cm). Der Spielwerksrahmen (links: H: 35 cm; B: 28 cm; L: 57,5 cm) umfasst links die Walzenhalterung (von hier aus ist die Walze auszutauschen) und ist rechts von der signierten Vorderplatine (H: 32 cm; B: 26 cm; Platinenstärke: 0,48 cm; Werkpfeilerhöhe: 7 cm) des Antriebwerkes begrenzt. Die Rückplatine ist verkürzt und im Walzendurchmesser ausgeschnitten. Die Werkpfeiler haben sowohl einen mittigem Ansatz als auch Ansätze zu den Platinen. Die quadratischen Windflügel befinden sich unter dem Basisbrett, ebenso die Balganlage. Das mittels Stahlseil gehaltene Bleigewicht für das Spielwerk läuft an der Gehäuserückwand über zwei Umlenkrollen von der unter dem Antriebswerk befindlichen Seilrolle in den Uhrenkopf. Der Vierkantstift für den Kurbelaufzug ist, im Vergleich zu anderen Platinen-Aufbauten Möllingers, die diesen linksseitig zeigen, auf der rechten Seite der Platine platziert. (Anne Franzkowiak, Franka Görike, Silke Kiesant)

Literatur

  • Göres, Burkhardt (2003): Carl Ludwig Bauer – Hofbeamter, Innenarchitekt und Mechaniker. In: Kunst in Preußen. Hans-Joachim Giersberg zum 65. Geburtstag. Berlin, S. 107-125
  • Heyde, Herbert (1994): Musikinstrumentenbau in Preußen. Tutzing, S. 329
  • Kiesant, Silke (2013): Prunkuhren am brandenburgisch-preußischen Hof im 18. Jahrhundert. Mit einem Katalog ausgewählter Uhren Friedrichs II. und Friedrich Wilhelms II. von Preußen. Petersberg, S. 371-376, Kat. 40 (hier weitere Archivalien)
  • Maurice, Klaus (1976): Die deutsche Räderuhr. Zur Kunst und Technik des mechanischen Zeitmessers im deutschen Sprachraum. 2 Bde. München, Bd. 2, Kat. 977
  • Möllinger, Christian (1791): Möllinger an Ritz, 30. Juli 1791 (1 Blatt). In: GStA PK BPH Rep. 192 Nachlass Ritz A, Nr. 1449
Hergestellt Hergestellt
1791
Christian Möllinger
Geistige Schöpfung Geistige Schöpfung
1785
Johann Heinrich Rolle
1784 1793
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Objekt aus: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Die Hohenzollern ließen ab dem 17. Jahrhundert neben ihrer Hauptresidenz in Berlin verschiedene Schloss- und Gartenanlagen in der Havellandschaft bei...

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