Der Wandteppich stellt die feierliche Übergabe der Festung Wolgast im November 1675 dar. Im Vordergrund steht Kurfürst Friedrich Wilhelm mit dem gesenkten Kommandostab in der Rechten dem Festungskommandanten gegenüber, der mit gesenktem entblößtem Haupt die Kapitulation verkündet. Hinter Friedrich Wilhelm reitet der Kurprinz Friedrich heran. Im Hintergrund rechts ist die Stadt Wolgast zu erkennen, links sieht man das zur schwedischen Festung mit sechs Bastionen ausgebaute Schloss, das durch Lichtschäden und Substanzverlust an dem Bildteppich leider nur noch schematisch zu erkennen ist. Es lag auf einer der Stadt vorgelagerten Insel in der Peene zwischen dem Festland und der Insel Usedom. Dargestellt ist hier der Moment, als das Obergeschoss durch den fortgesetzten Beschuss der brandenburgischen Truppen explodierte. Der Bildteppich zeigt also zwei Ereignisse nebeneinander, die mindestens um einen Tag zeitlich versetzt stattgefunden haben. Diese Darstellungsweise ist in allen erhaltenen Tapisserien der Serie anzutreffen.
Die Tapisserie gehört zu der Folge der „Kriegstaten des Großen Kurfürsten“, die seine ruhmreichen Feldzüge der Jahre 1675 bis 1679 gegen die Schweden ins Zentrum stellt. Der Kurfürst inszeniert sich hier als siegreicher Feldherr, der seine Gebietsansprüche bekräftigt, denn die von ihm eroberten Gebiete Vorpommerns wurden im Frieden von Saint-Germain-en-Laye (1679) im Interesse des europäischen Gleichgewichts wieder Schweden zugesprochen. Bildteppiche galten bis weit ins 18. Jahrhundert hinein als wirkungsvolles Mittel zur Inszenierung fürstlicher Macht.
Die Stadt- und Landschaftsansichten der Hintergründe gehen auf Zeichnungen des Holländers Abraham Jansz Begeijn zurück, der 1688 als kurfürstlich brandenburgischer Hofmaler bestallt wurde. Die Anteile der nachweislich für diese Serie entwerfenden Künstler Rutger von Langenfeld, Paul Carl Leygebe sowie der Gebrüder Jean-Francois und Alexander Casteels sind kaum bestimmbar. Ursprünglich bestand die Serie aus acht Wandteppichen. Der „Sieg von Warschau“ und die „Eroberung von Anklam“ sind zwischen 1786 und 1891 verlorengegangen. Fünf der sechs erhaltenen Tapisserien befinden sich heute im Schloss Oranienburg, die sechste, "Die Eroberung von Wolgast", ist aus konservatorischen Gründen deponiert.
Susanne Evers
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