Potsdam, 2. Juni 1856, um Mitternacht
Brinkmann stand in der Tür und blickte in die winzige Stube seines Kameraden. Dieser hatte es sich inzwischen bequem gemacht, lag halb ausgezogen auf seinem Bett, wobei seine Beine über die Kante hinausragten und hatte die Arme unter dem Kopf verschränkt. Sein Blick war zur Decke gerichtet, unter der eine dicke Stubenfliege nervös ihre Schleifen drehte. „Na, da bist Du ja endlich, Du Genießer, ich hatte schon gedacht, daß Du etwas länger brauchen würdest, aber Du warst ja schon immer einer von den schnellen Husaren! Und, bist Du auch schön durchs Ziel geritten?“ Dettmann kicherte wie ein Schuljunge, der hinter dem Rücken seines Lehrers heimlich Grimassen schneidet.
Als Brinkmann nichts von sich hören ließ, drehte Dettmann seinen Kopf leicht zur Seite: „Na, Du sprudelst ja förmlich über, mein Bester. Los, rede schon, bist Du auf Deine Kosten gekommen oder mußtest Du ebenso wie ich etwas improvisieren?“ Brinkmann dehnte das letzte Wort auf ironische Weise, lachte anschließend laut auf und schlug sich mit der flachen Hand auf den Bauch. „Ha, ha, ha, Mann, die Dame war so eng, daß ich drauf und dran war, mir einen Schuhanzieher zu holen. Gott, was muß die gelitten haben? Aber ehrlich, wie eine Jungfrau kam sie mir eigentlich nicht vor. Egal, ihre 10 Silbergroschen hat sie sich jedenfalls verdient, das Luder!“
Schweigen! Allmählich wurde es Dettmann doch zu bunt und er richtete sich auf. Was war denn los mit diesem Kerl? „He, mein Freund“, rief er, „hat’s Dir die Sprache verschlagen. Also, wenn ich gewusst hätte, daß dies heute Abend Dein erstes Mal war, dann…“
Brinkmann nahm seine Mütze vom Kopf, warf sie mit Schwung auf den kleinen Tisch, öffnete die obersten Knöpfe an seinem Uniformrock und verschränkte sodann seine Arme. „Soll ich Dir mal den Namen Deiner wundervollen Gespielin verraten?“ Er setzte sich neben Dettmann auf den Bettrand, nahm seinen rechten Arm um dessen Schultern, ließ seinen Blick theatralisch im Zimmer schweifen und sah dann seinem Freund direkt in die Augen. Mi einem Lächeln auf den Lippen flüsterte er ihm leise ins Ohr: „Iwan Schischkoff!“
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