Die Zeichnung zeigt eine in den Details mit großer Akribie ausgeführte Studie der berühmten Westfassade der Prenzlauer Marienkirche, der Blick geht von der Straße Marktberg nach Osten, rechterhand sind einige Fassaden von Bürgerhäusern erkennbar, vorn durch ein Innungszeichen akzentuiert. Unklar, aber interessant bleibt ein auf der Straße stehendes technische Gebilde, ein Kessel? Die Darstellung ist menschenleer. Detailliert sind Spuren des Verfalls wie fehlende Dachziegel oder Steine vermerkt, jeder Sache ist eine sich in den Details geradezu verselbständigende Textur gegeben, vor allem punktuelle Dunkelheiten springen entgegen. Diese Freude am Ornamentalen setzt sich am Verfall eines hölzernen Geländers quer im Vordergrund fort, das hier keine Funktion hat.
Die lineare Nutzung eines harten Bleistiftes verrät die Schulung des Künstlers in der Berliner Porzellanmanufaktur und ein Bestreben dem Thema mit den klassizistischen Mitteln der Linie zu begegnen, die durch die Nazarener zu einem Stilmerkmal der deutschen Zeichenkunst geworden waren. Diese Mode war 1834 bereits im Abflauen und Schirmers geradezu penetrante Anwendung muss als eine bewusste Gegenreaktion etwa zu dem genialischen Carl Blechen und seinen explosiven Zeichenstil verstanden werden - Blechen war 1831 als Lehrer für Landschaftsmalerei berufen worden, Schirmers Bewerbung kam nicht zum Zuge. Er trat dafür 1839 die Nachfolge Carl Blechens in der Akademie an und war bis in die 1860er Jahre ein gefragter Landschaftsmaler, der sich vor allem der Förderung des Kronprinzen und späteren Königs Friedrich Wilhelm IV. erfreute. Im August und September 1834 weilte August Wilhelm Schirmer einige Wochen beim Grafen von Arnim in Boitzenburg und besuchte von dort aus auch das nahegelegene Prenzlau. Aus dieser Zeit sind bisher keine Werke des Künstlers bekannt, deshalb bekommt diesen hier erstmals publizierten Blättern eine besondere Bedeutung zu.
Die Zeichnung ist an allen vier Seiten von einer Linie gerahmt und li. u. unter der Darstellung undeutlich bezeichnet " "Prenzlau ASW (Monogramm) unleserlich (wie ausradiert) 1834.".
Sie ist als Altbesitz des Prenzlauer Museums anzusehen, es ist unbekannt, wie die vier Zeichnungen des Künstlers an das Museum kamen, vermutlich über die Familie von Arnim, an die sie der Dank des Künstlers für die Gastfreundschaft gewesen sein könnten.
Die Zeichnung war alt in einer Glasscheibe, punktuell auf ein Unterpapier, dieses auf einen säurehaltigen Rückkarton liegend mit schwarzem Schirting verklebt. (Abb. 1 Vorderseite, Abb. 2 Rückseite) Schon zuvor muss das Blatt (ebenso wie V 3325 K2, V 3326 K2 in der Sammlung des Prenzlauer Museums) lange ungeschützt aufbewahrt worden sein, denn die Zeichnung ist stark verschmutzt, fleckig vor allem unten und stark abgerieben. Reste eines Wasserfleckens sind formatfüllend, die re. Ecke ist alt ergänzt.
2022 wurde diese Zeichnung aus dem Glas entrahmt, wodurch der Grad der Beschädigung in vollem Umfang sichtbar wurde. (Abb. 3 Vorderseite, Abb. 4 Rückseite) Die Zeichnung wurde vorsichtig trocken gereinigt (Abb. 5 Vorderseite), anschließend wurde die punktuelle Verklebung der Rückseite auf dem Unterpapier durch Anfeuchten gelöst und die Wellungen geglättet. Durch vorsichtiges Wässern konntenauch die Flecken auf der Vorderseite etwas gemildert werden. (Abb. 6 Rückseite, Abb. 7 Vorderseite)
Abschließend wurde das Blatt freigestellt passepartouriert.
Literatur:
Iris Berndt, Carl Bellermann als Schüler von Carl Blechen (Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte Bd. 73, im Druck)
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